Krise in Athen: Griechenland: Neuer Präsident oder Neuwahlen
Scheitert der einzige Präsidentschaftskandidat Griechenlands auch im dritten Wahlgang, gibt es Neuwahlen. In Umfragen führt die radikale Linke.
Die Wende, die Griechenlands Ministerpräsident Antonis Samaras seit Monaten verspricht: Gerasimos Papadatos sieht sie nicht. Auch das vielbeschworene „Licht am Ende des Tunnels“ kann der 43-Jährige nicht erkennen. „Für mich wird alles immer schlimmer“, klagt Papadatos. Vor zwei Jahren verlor er seinen Job als Baggerführer bei einer großen Baufirma. Seine Ehe ging darüber in die Brüche. Im November 2013 lief die Arbeitslosenunterstützung aus. Der geschiedene Mann zog zu seiner Mutter in eine Zweizimmerwohnung. Die beiden teilen sich nun die Witwenrente der 72-Jährigen, 720 Euro. „Ich bin verzweifelt und wütend“, sagt Gerasimos Papadatos.
Seiner Wut wird der Grieche möglicherweise schon bald freien Lauf lassen können – an der Wahlurne. Am Montag nimmt das griechische Parlament den dritten und entscheidenden Anlauf zur Kür eines neuen Staatspräsidenten. Kommt, wie in den ersten beiden Abstimmungsrunden, nicht die erforderliche Mehrheit für den einzigen Kandidaten Stavros Dimas zusammen, muss die Volksvertretung binnen zehn Tagen aufgelöst werden. Dann würden die Griechen voraussichtlich am 1. Februar zu den Urnen gerufen, um ein neues Parlament zu wählen.
Die Syriza führt in Meinungsumfragen
Wahrscheinlicher Gewinner: Das Bündnis der radikalen Linken (Syriza). Die Partei führt in allen Meinungsumfragen vor der regierenden konservativen Nea Dimokratia. Syriza-Chef Alexis Tsipras will den Sparkurs beenden, die Kreditverträge mit der EU kündigen, Reformen rückgängig machen, Renten und Löhne erhöhen. Er verspricht mehr Sozialleistungen und neue Jobs im Staatsdienst. Das hören viele krisengeplagte Griechen gern. Wie er seine Wahlgeschenke finanzieren will, hat Tsipras allerdings bisher nicht verraten. Seine Kritiker fürchten, ein Wahlsieg der Linken werde Griechenland in die Krise zurückwerfen und letztlich zum Verlust des Euro führen.
In der zweiten Runde bekam Dimas 168 Stimmen. Damit fehlen ihm noch zwölf Stimmen zur Dreifünftelmehrheit von 180, die er braucht, um im dritten Durchgang gewählt zu werden. Sehr wahrscheinlich ist das nicht, aber auch nicht unmöglich. Ministerpräsident Samaras und sein sozialdemokratischer Koalitionspartner Evangelos Venizelos hoffen, bis zum Montag schwankende Abgeordnete kleinerer Oppositionsparteien zur Stimmabgabe für ihren Kandidaten Dimas bewegen zu können. Das Land brauche keine Neuwahlen, sondern politische Stabilität, um die schwierigen Troika-Verhandlungen endlich abzuschließen, argumentiert die Regierung. Ein Syriza-Sieg, so warnen Samaras und Venizelos, könnte das Land in die Krise zurückwerfen. Die Opfer der vergangenen Jahre, die Erfolge der Haushaltskonsolidierung, die Strukturreformen – das alles wäre dann umsonst gewesen.
"Tsipras spricht aus, was die meisten Griechen denken"
Aber dieses Gefühl hat Gerasimos Papadatos sowieso. Er glaubt an Syriza. „Tsipras spricht aus, was die meisten Griechen denken, dass der Sparkurs unsere Wirtschaft ruiniert und zu einer humanitären Krise geführt hat“, sagt Papadatos. Seine Mutter bekäme wohl mehr Rente, er selbst eine staatliche Sozialhilfe, hofft der Langzeitarbeitslose. Ihn schreckt es auch nicht, wenn die Griechen den Euro abgeben müssten, die EU verlassen und aus der Nato ausscheiden, wie es der einflussreiche linke Syriza-Flügel fordert. „Lieber ein paar Drachmen im Portemonnaie als gar kein Geld“, sagt Papadatos. Er erinnert sich noch an die Zeit vor der Währungsunion. „Unter dem Strich ging es uns damals besser.“
Nicht alle Griechinnen und Griechen sehen das so. Laut einer Umfrage von Mitte Dezember wollen 55 Prozent keine vorzeitigen Wahlen, gegenüber 50 Prozent vor einem Monat. 48 Prozent sehen die Zukunft ihres Landes in der Euro-Zone gefährdet. Beim Gedanken an einen Syriza-Sieg scheinen immer mehr Wähler kalte Füße zu bekommen: Der Vorsprung der radikalen Linken in Umfragen schrumpfte zuletzt von bis zu sieben auf 3,5 Prozent.