Umfragen zur US-Wahl in der Corona-Krise: Trumps Zustimmungswerte steigen auf Rekordhoch
Biden führt in der Sonntagsfrage, im direkten Vergleich und beim Thema Gesundheit. Trump liegt in puncto Wirtschaft und Amtsführung vorn. Was bedeutet das?
Die USA sind nun der Brennpunkt der Corona-Erkrankungen. Sie hatten am Dienstag die meisten Infizierten (165.000) und die viertmeisten Toten (3173) nach Italien, Spanien und China. Wie aber beeinflusst die Krise die Präsidentschaftswahl dort? Wer kann sich im Kampf gegen die Gefahr besser profilieren, Amtsinhaber Donald Trump oder Herausforderer Joe Biden?
Die Umfragen geben darauf höchst gegensätzliche Antworten. Trumps Zustimmungswerte steigen auf Rekordhoch seit seinem Amtsantritt: 47,3 Prozent. Doch zugleich liegt Biden im Schnitt der Umfragen, wen die Amerikaner wählen würden, klar vorne: mit 51 zu 44,5 Prozent.
Wo droht die größere Gefahr: bei Wirtschaft oder Gesundheit?
Wie lassen sich diese Widersprüche erklären – beide liegen auf ihre Weise vorn? Es kommt darauf an, wonach die Demoskopen fragen. Zudem sind die Menschen in ihrem Antwortverhalten nicht widerspruchsfrei. Eine neue Umfrage der „Washington Post“ und des Senders ABC zeigt, dass die Bürger den beiden Spitzenpolitikern unterschiedliche Stärken und Schwächen zuschreiben. Es kommt also auch darauf an, welches Sachthema gerade Priorität hat.
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Die Pandemie rückt zwei Gefahren in den Fokus: die Bedrohung der persönlichen Gesundheit durch das Virus und die Bedrohung des Lebensunterhalts durch die Folgen für das Wirtschaftsleben. Mit Blick auf das Gesundheitswesen schreiben die US-Bürger Biden die größere Kompetenz zu: 52 zu 39 Prozent. Da hat der Demokrat 13 Prozentpunkte Vorsprung. In Wirtschaftsfragen ist es umgekehrt. Da genießt Trump mit 50 zu 42 Prozent das größere Vertrauen.
Trump schneidet solo besser ab als im Kontrast mit Biden
Auf die Frage, wie Trump die Wirtschaft managt – also ohne den Vergleich, wer von beiden es besser kann – erzielt der Präsident noch höhere Werte. Dann beurteilen 57 Prozent seine Wirtschaftspolitik zustimmend. Dieses Phänomen, dass Trump besser dasteht, wenn nach ihm allein gefragt wird und nicht nach dem Vergleich mit Biden, gilt auch für andere Aspekte. Das könnte Biden nutzen, je näher die Wahl rückt.
Wie anderswo auch wird in den USA ein „Exekutiv-Bonus“ sichtbar. Wer regiert, kann sich als Macher profilieren – und wird so wahrgenommen. Ein Nachteil für die Opposition. Auch wenn die meisten deutschen Medien Trump aus der Ferne und nachvollziehbar ein miserables Zeugnis im Umgang mit Corona ausstellen: In den USA erzielt Trump in der Krise Rekordwerte auf die Frage nach seiner Amtsausübung: 47,3 Prozent Zustimmung im Schnitt aller Umfragen, mehr als je zuvor seit Amtsantritt und ein besserer Wert als sein Wahlergebnis 2016 (46,5 Prozent). Im Vergleich mit Biden verringert sich auch dieser Wert in der Umfrage von „Washington Post“ und ABC auf 45 zu 43 Prozent zu Gunsten des Amtsinhabers.
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Absolut die meisten Infizierten, doch relativ weniger als in Europa
Zur Wahrnehmung der Corona-Krise in den USA gehört auch: Die US-Bürger sehen ihr Land gar nicht so sehr im Brennpunkt der Pandemie, vor allem wenn sie nicht in New York leben, wo rund die Hälfte der landesweiten Fälle zu verorten sind. Die USA haben zwar hohe absolute Zahlen, aber auch eine große Bevölkerung. Rechnet man die Infizierten und die Toten in Relation zur Einwohnerzahl, stehen die USA besser da als viele Länder Europas. Die Angst vor den ökonomischen Folgen griff früher um sich als die Angst vor dem Virus.
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Biden hat allerdings einen signifikanten Nachteil im direkten Vergleich: den „Enthusiasm Gap“. Die Begeisterung, ihn wählen zu können, beschreiben nur 24 Prozent seiner Anhänger als „sehr groß“. Das ist der niedrigste Wert für einen Kandidaten der Demokraten, den ABC und „Washington Post“ in den zwanzig Jahren gemessen haben, seit sie diese Frage stellen. Bei Trump ist es umgekehrt: 53 Prozent seiner Anhänger sind „sehr begeistert“, im Herbst erneut für ihn stimmen zu können.
Der "Enthusiasm Gap" ist Bidens Schwäche
Nimmt man die „moderat Begeisterten“ zu den „sehr Begeisterten“ hinzu, sehen die Zahlen etwas freundlicher für Biden aus. In der Summe steht es dann 85 Prozent bei Trump zu 73 Prozent bei Biden. Die Zahlen bleiben jedoch eine Quelle der Beunruhigung für die Demokraten. Denn die Begeisterung gilt als Gradmesser, wie wahrscheinlich es ist, dass diese Anhänger auch wirklich wählen gehen und nicht zuhause bleiben.
Hinzu kommt: Ähnlich schlechte Enthusiasmus-Werte wurden zuvor für zwei republikanische Präsidentschaftsbewerber gemessen: 17 Prozent für John McCain 2008 und 23 Prozent für Mitt Romney 2012. Beide verloren ihre Hauptwahl im Herbst gegen Barack Obama.
Das Risiko für Trump liegt im Vergleich mit dem Herausforderer
„Politico“ sieht in seiner Analyse der jüngsten Umfragedaten beträchtliche Risiken für Trump. Obwohl der „Exekutiv-Bonus“ ihm klar nutze und er nun in der Zustimmung deutlich über den Werten vor der Krise liege, könne er daraus keinen entscheidenden Nutzen im direkten Vergleich mit Biden ziehen. Sobald gefragt werde, wen die Bürger wählen wollen, bleibe Trump hinter seinen Zustimmungswerten zurück.
Nimmt man all die Hinweise zusammen – Vorteil Biden bei Gesundheit und im direkten Vergleich sowie bei der Wahlfrage, Vorteil Trump bei Wirtschaft, „Exetutiv-Bonus“ und „Enthusiasm Gap“ -, darf man wohl sagen: Der Ausgang ist offen. Die Amerikaner haben die Wahl.