Republikanische Sicherheitsexpertin zur US-Wahl: „Trumps Wiederwahl würde die internationale Ordnung gefährden“
Die republikanische Sicherheitsexpertin Kori Schake warnt im Interview vor einer zweiten Amtszeit von Donald Trump. Der sei eine Gefahr für die Demokratie.
Kori Schake, 58, ist Direktorin für Außen- und Verteidigungspolitik am konservativen American Enterprise Institute in Washington. Die Republikanerin arbeitete für mehrere US-Regierungen, unter anderem im Nationalen Sicherheitsrat von George W. Bush sowie im Außenministerium. Dieses Interview stammt aus der 32. Ausgabe des Tagesspiegel-Newsletters „Twenty/Twenty“, in dem wir über den US-Wahlkampf berichten. Hier geht es zum kostenlosen Abo.
Frau Schake, Sie waren 2008 Beraterin des republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain. 2016 sprachen Sie sich aber gegen Donald Trump aus und rufen auch jetzt zur Wahl von Joe Biden auf. Warum?
2016 habe ich mich als Republikanerin für die Wahl von Hillary Clinton ausgesprochen, weil ich fürchtete, dass Trumps Draufgängertum Amerikas Ansehen in der Welt und seinen weltweiten Beziehungen schaden würde. Und jetzt werbe ich für Biden, weil diese Sorgen Wirklichkeit geworden sind. Präsident Trump hat den Ruf unseres Landes beschädigt und unseren Partnern geschadet, er hat unseren Feinden geholfen, ihren Zielen näherzukommen. Und er ist eine Gefahr für unsere Demokratie: Wir erleben unter ihm den Zerfall von Institutionen und Normen, er heizt Gewalt gegen die Medien an und verbreitet gefährliche medizinische Unwahrheiten. Das alles ist schlecht für mein Land.
Was ist Ihre größte Sorge als Außenpolitikexpertin, wenn Trump am 3. November gewinnt?
Trumps Wiederwahl würde Amerikas Freunde in der Welt davon überzeugen, dass er akkurat die Einstellungen der Amerikaner widergibt. Unsere Freunde kennen uns gut, es ist ihnen bewusst, dass wir manchmal leichtfertige Entscheidungen treffen. Aber sie vertrauen in unsere Fähigkeit, unsere Fehler zu korrigieren. Wird Trump wiedergewählt, wird das unsere Freunde glauben machen, dass wir seine Politik gutheißen. Das würde die internationale Ordnung gefährden, die die USA und ihre Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut und von der wir alle sehr profitiert haben.
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Welche Gefahr sehen Sie für Europa?
Trumps Wiederwahl würde zu einer drastischen Reduzierung der US-Streitkräfte in anderen Ländern führen. Der Präsident argumentiert ja immer, dass diese dort nur zum Schutz anderer seien, nicht zu unserem eigenen. Ein Abzug unserer Soldaten verringert unsere Fähigkeit, Schulter an Schulter mit unseren Partnern zu kämpfen, und erhöht das Risiko, dass unsere Widersacher unseren Partnern Schaden zufügen.
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Was befürchten Sie in der Wirtschaftspolitik?
In Trumps zweiter Amtszeit würde eine internationale Wirtschaftsordnung entstehen, von der die Vereinigten Staaten ausgeschlossen wären. Die Europäer würden bei Transaktionen immer stärker versuchen, unsere Währung zu umgehen, genauso wie China und Russland. Indem der Präsident Regierungsinstitutionen politisiert, die eigentlich unabhängig sein sollen, schwächt er den Dollar als Reservewährung. Zudem dämpft der explosionsartige Anstieg der Schulden, der unter Trump auch schon vor der Corona-Krise begonnen hatte, das Vertrauen, dass die amerikanische Wirtschaft dem Dollar dabei hilft, seinen Wert zu behalten.
Wen sehen Sie im engeren Umfeld des Präsidenten, der in einer zweiten Amtszeit einen mäßigenden Einfluss auf Trump ausüben könnte?
Ich fürchte, wenn Trump wiedergewählt wird, wird er noch mehr davon überzeugt sein, dass er niemanden braucht, der ihm widerspricht, sondern nur diejenigen, die seinen Willen ausführen. Leute wie den derzeitigen Chef des Heimatschutzministeriums, Chad Wolf, oder andere Minister. Er wird nicht nur Schwierigkeiten haben, gute Leute zu rekrutieren, er wird es noch nicht einmal mehr wollen.
Wenn Sie um Rat gefragt werden: Wie sollten die europäischen Partner reagieren, würde er wiedergewählt?
Unsere Alliierten verstehen, dass der Präsident und seine Regierung nicht die einzigen Ansprechpartner sind. Es gibt den Kongress, die Zivilgesellschaft, die Bundesstaaten – es gibt so viele Möglichkeiten, die amerikanische Politik zu beeinflussen. Unser politisches System hat viele Fehler. Befreundeten Regierungen würde ich raten, mit den Teilen unseres Landes zusammenzuarbeiten, die Ähnliches wollen: in der Sicherheitspolitik, beim Klimawandel oder der Verteidigung der Würde des Menschen. Hier gibt es viele Partner, die an einer Zusammenarbeit interessiert sind.