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Donald Trump redet vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen.
© Reuters/Eduardo Munoz

US-Regierung kritisiert Iran-Abkommen: Trump legt Feuer an die Lunte der Bombe

Die Welt ist in Sorge: Will der US-Präsident das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigen? Das hätte katastrophale Folgen - auch und gerade für Israel. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Vielleicht poltert er nur wieder. Vielleicht ist er verliebt in die eigene rhetorische Kanonade. Vielleicht genießt er es, Nervosität zu erzeugen. Was Donald Trump antreibt, weiß keiner genau. Sicher aber ist: Das Gedankenspiel mit dem Feuer ist am explosivsten, wenn am Ende der Lunte möglicherweise Massenvernichtungswaffen stehen. Das gilt für den Umgang mit Nordkorea wie für die amerikanische Iran-Politik. Immer mehr Staaten äußern ihre Besorgnis, dass Trump das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigt. Zuzutrauen wäre es ihm - mit potenziell katastrophalen Folgen, auch und gerade für den Staat Israel.

Politik ist Interessenpolitik. Kalt, klar, nüchtern. Wer Gefühle in ihr erwartet, wird oft enttäuscht. Wäre Dankbarkeit eine politische Kategorie, müsste Israels Premier Benjamin Netanjahu die Vertreter der Weltgemeinschaft darum bitten, sie umarmen zu dürfen. Vor einem Vierteljahrhundert warnte der damals noch junge Knesset-Abgeordnete zum ersten Mal vor dem Iran. In drei bis fünf Jahren, sagte er, könne das Regime in Teheran eine Atombombe entwickeln und Israel damit existenziell bedrohen. Von da an bis zum Juli 2015, also länger als zwei Jahrzehnte, war es fünf Minuten vor zwölf. Akut war die Gefahr in Netanjahus Alarm-Reden jedenfalls immer.

Auch deshalb verhandelten alle Mitglieder des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland zwölf Jahre lang mit dem Iran, bis vor gut zwei Jahren das Atomabkommen unterzeichnet werden konnte. Es erlaubt die zivile Nutzung der Atomtechnologie, verhindert aber den Bau von Atomwaffen für mindestens 15 Jahre. Gefahr gebannt. Für den damaligen US-Präsidenten Barack Obama war es die größte diplomatische Leistung seiner Amtszeit.

Eine militärische Intervention ist sinnlos geworden

Sein Nachfolger nennt es das schlechteste Abkommen, das je unterzeichnet wurde. Trump und die Republikaner kritisieren es vehement als Kapitulation vor einem Schurkenstaat. Unterstützt werden sie von Netanjahu, der entgegen der Logik seiner eigenen Warnungen gar kein Abkommen für besser hält als dieses. Gar kein Abkommen heißt: Der Iran kann wieder an der Bombe basteln, es ist erneut fünf vor zwölf. Und da eine militärische Intervention zur Verhinderung einer solchen Entwicklung sinnlos geworden ist, weil das Gros der iranischen Atomanlagen unterirdisch verbunkert und das Flugabwehrsystem modernisiert wurde, besticht eine solche Rhetorik vor allem durch ein hohes Maß an Irrationalität.

Kein Zweifel: Der Iran ist ein Schurkenstaat. Er foltert und mordet, unterstützt Terrororganisationen, droht Israel mit Vernichtung, wird geleitet von einer brutalen expansiven Ideologie. All das spielt im Atom-Abkommen keine Rolle, es ist ein reiner Rüstungskontrollvertrag. Das kann man beklagen, aber nicht ändern. Eine Neuverhandlung in derselben Konstellation zu fordern, ist naiv.

Zur kältesten Zeit des Kalten Krieges schlossen die USA mit der Sowjetunion Rüstungskontrollverträge. Sie hielten trotz gravierender Wertedifferenzen. Das Atomabkommen mit dem Iran wird bislang ebenfalls eingehalten. Die Welt ist mit ihm sicherer geworden. Wer es einseitig aufkündigt, weckt Zweifel an der eigenen Vertragstreue und forciert die Destabilisierung einer ohnehin hyperzerbrechlichen Region. Trump redet, ohne die Realität gedanklich durchdrungen zu haben. Bei jedem anderen könnte man Nachsicht üben. Er aber ist der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

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