zum Hauptinhalt
US-Präsident Donald Trump
© dpa/AP/Evan Vucci

Nach Impeachment-Debakel der US-Demokraten: Trumps fehlender Anstand ist die Chance für seine Gegner

Die Republikaner gehorchen Trump. Die Demokraten müssen den Reinfall rasch überwinden und in den richtigen Wunden des US-Präsidenten bohren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Wenn kein Wunder geschieht, wird in wenigen Tagen die bittere Bilanz lauten: Das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump war eine Farce. Dabei wog die Causa, derer der amerikanische Präsident bezichtigt wurde, schwer.

Alle Indizien deuten darauf hin, dass er mit hohen Summen an Steuergeldern in erpresserischer Weise versucht hat, die ukrainische Regierung in seinen Wiederwahlkampf einzuspannen.

Trump hat seine Macht missbraucht. Ginge es stets moralisch und gerecht in der Politik zu, hätte er es verdient, mit Schimpf und Schande aus dem Weißen Haus verjagt zu werden.

Hätte, könnte, wäre. Wer seine Strategie auf Konjunktive stützt, wie die Demokraten es taten, riskiert den Reinfall. Und ein Reinfall ist der schnelle Ausgang des Verfahrens für die Opposition. Zu keiner Zeit konnte sie mit einem erfolgreichen Impeachment rechnen.

Trump ist kampfesfreudig

Der Block der Republikaner ist fest wie eine Zementkugel. Dass die Demokraten nicht einmal mit der Forderung durchkamen, weitere Zeugen anzuhören, verdeutlicht, wie effektiv es Trump mit seiner Treue-und-Verrat-Rhetorik verstanden hat, seine Partei an sich zu schweißen. Er befiehlt, sie gehorchen. Der Präsident hat die „Grand Old Party“ zu einer Mitläuferbewegung degradiert.

Das mag man kritisieren, beklagen, betrauern. Ändern aber wird sich das bis zum Wahltermin im November höchstwahrscheinlich nicht. Trump und die Seinen treten geschlossen, stark und kampfesfreudig auf.

Einen Vorgeschmack auf die Härte der kommenden Auseinandersetzungen gab der Präsident am vergangenen Donnerstag in Des Moines im Bundesstaat Iowa, also ausgerechnet dort, wo die Demokraten an diesem Montag in die erste Runde ihrer Vorwahlen gehen. Trump verspottete die „total kranke Linke“, die durch das Impeachment habe versuchen wollen, die demokratischen Spielregeln außer Kraft zu setzen.

Das Publikum jubelte und johlte. Flankiert von niedriger Arbeitslosigkeit, höheren Löhnen und einem anhaltendem Wirtschaftswachstum wartet der Amtsinhaber mit einer magnetisierenden Botschaft auf.

Den Demokraten fehlt es an Frische

Und die Demokraten? Die geben im Vergleich dazu ein eher jämmerliches Bild ab. Bernie Sanders, Joe Biden und Michael Bloomberg sind – bei aller Sympathie für ihre politischen Inhalte – alt und wirken wie von gestern. Frische Impulse geben auch die anderen Kandidaten kaum.

Weil bislang außerdem kein klarer Favorit erkennbar ist, wird die Zeit  immer knapper, sich hinter einer Person zu versammeln, für nur eine Person Spendengelder einzutreiben, auf den Säulen der Botschaften von nur einer Person eine landesweite Kampagne zu errichten.

Trump hat bei seiner Wahl vor gut drei Jahren bewiesen, dass er ein Meister der Mobilisierung ist. Passion schlägt Pragmatismus, Parolen schlagen Programme. Und wer die Funktionsregeln der sozialen Dienste kennt, kann die Schlagzeilen beherrschen.

Herausforderer müssen auf Trumps Charakter zielen

Das alles sollte den Demokraten nicht nur eine Lehre, sondern ein ganzes Lehrbuch sein. Sie sollen Trump nicht imitieren oder sich auf seine Ebene begeben – Trump wird immer der beste Trump sein. Aber es muss ihnen gelingen, überzeugend, motivierend und einprägsam zu sein.

Das Schlüsselwort dafür heißt „Anstand“. Trumps charakterliche Defizite sind sein größtes Manko. Sein Verhalten gegenüber Frauen, Minderheiten und Verbündeten beschämt das ganze Land. In diese Wunde muss sein Herausforderer unablässig bohren. Dann haben die Demokraten eine Chance.

Das allerdings setzt voraus, dass sie möglichst schnell aufhören, mit sich selbst beschäftigt zu sein. Das Impeachment war ein Debakel. Spätestens ab Iowa muss es überwunden sein.

Zur Startseite