Atomabkommen: Trumps doppelte Iran-Strategie
Die US-Regierung wettert gegen das Mullahregime, um davon abzulenken, dass sie den Atomdeal nun doch einhalten will.
US-Außenminister Rex Tillerson verschärft den Ton gegenüber dem Iran. Das Mullahregime unterstütze den Terror und unterminiere die Interessen der USA in Syrien, im Irak, im Jemen und im Libanon, sagte Tillerson am Mittwoch in Washington. Er stellte auch den Sinn des Atomabkommens infrage, das die fünf Vetomächte in den Vereinten Nationen (USA, China, Russland, Frankreich, Großbritannien) sowie Deutschland mit dem Iran geschlossen haben. Danach darf das Land keine Atomwaffen entwickeln und unterstellt seine Nuklearanlagen internationaler Kontrolle; im Gegenzug fallen die Sanktionen nach und nach. Tillerson sagte nun, der Zweck des Abkommens sei „gescheitert“. Es halte den Iran nicht davon ab, zur Atommacht zu werden, sondern verzögere dies nur.
Parallel ordnete Präsident Donald Trump eine Überprüfung des Atomabkommens durch den Nationalen Sicherheitsrat an. Dazu gehört auch eine Bewertung, ob es im Interesse der USA liege, die Sanktionen gegen den Iran aufzuheben. Im Wahlkampf hatte Trump das Abkommen zum „schlechtesten Deal aller Zeiten“ erklärt und angekündigt, dass er es nicht zu respektieren gedenke. Der Vertrag, der noch unter Barack Obama unterzeichnet wurde, ist ohnehin nicht rechtskräftig, da der US-Senat ihn nicht ratifiziert hat.
Die US-Rhetorik beunruhigt Europa
Tillersons Rhetorik beunruhigt viele Beobachter in Europa. Macht Trump Ernst und kündigt das Abkommen? Droht gar eine militärische Auseinandersetzung? In Syrien hat Trump die unter Obama geltende Zurückhaltung aufgegeben und einen Militärflugplatz angegriffen, nachdem das Regime Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hatte. In Afghanistan hat er im Krieg gegen Terrorkämpfer die größte Bombe im US-Waffenarsenal erstmals eingesetzt. Als Warnung an Nordkorea hat er einen US-Flugzeugträger entsandt, um die Machthaber in Pjöngjang von der Entwicklung strategischer Atomraketen abzuhalten.
Die Analysen in den USA weisen in eine andere Richtung. Die scharfe Rhetorik sei eine Schutzmaßnahme, um davon abzulenken, dass Trump auch in der Iranpolitik eine 180-Grad-Wende – gemessen an seinen Wahlkampfäußerungen – einleite. Er werde das Atomabkommen respektieren und einhalten, schreibt CNN auf seiner Internetseite unter Berufung auf Mitarbeiter Trumps und Obamas. Die internationale Kontrolle des Atomprogramms mache die Welt sicherer. Neue Konfrontation würde den Iran veranlassen, ebenfalls brachialer vorzugehen.
Trump-Sprecher Spicer schweigt
Es sei zwar richtig, dass der Iran weiter Terrorgruppen unterstütze und auch den syrischen Machthaber Baschar al Assad mit eigenen Kämpfern verteidige. Doch diese Aktivitäten bedeuteten keinen Bruch des Atomabkommens. Darin habe man sich lediglich auf die Beschränkung und Überwachung des Atomprogramms sowie die schrittweise Aufhebung der Sanktionen geeinigt und andere Streitfragen ausgeklammert, weil es sonst keine Einigung gegeben hätte.
Tillerson hatte kürzlich gesagt, der Iran halte das Abkommen ein. Das ist auch die Bewertung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO in ihrem Bericht vom Februar. Trumps Sprecher Sean Spicer wollte am Mittwoch keine Antwort auf die Frage geben, ob die USA aus dem Atomabkommen aussteigen. Auch das gilt in den USA als Indiz, dass Trump eine Doppelstrategie betreibt. Er bekräftigt die Kritik am Abkommen verbal, um nicht als Umfaller dazustehen. In der Praxis hält er das Abkommen aber ein. Ähnliche Kehrtwenden vom Wahlkampf zur Regierungspraxis hat er im Umgang mit der Nato, mit China und mit Russland vollzogen.