Handelsstreit: Trump macht Politik mit dem Baseball-Schläger
Die Arroganz der US-Handelspolitik macht Präsident Trump so deutlich wie lange nicht. Deshalb müssen die Europäer jetzt zusammenstehen. Ein Kommentar.
Stahl ist ein ganz besonderer Stoff. Das Material lässt sich formen und walzen und in allen möglichen Güteklassen für Tausende Güter herstellen. Stahl hat heute noch immer den Stellenwert, den er im 19. Jahrhundert als Treiber der ersten industriellen Revolution hatte: Er ist Grundstoff des verarbeitenden Gewerbes.
In seiner Bedeutung für Gesellschaft und Wirtschaft vergleichbar mit dem Öl, war der Stahl immer auch Gegenstand von Politik. Schätzungsweise 40 Prozent der weltweiten Handelsschutzmaßnahmen betreffen die Stahlbranche. Mit Donald Trumps nun auf Europa ausgedehnten Zöllen dürfte dieser Anteil weiter steigen. Der US-Präsident hält Wort. Und macht Geschichte als Gegner des freien Handels.
Auf der anderen Seite werden die Europäer erwachsen. Australien, Südkorea und Brasilien haben sich auf Stahlkontingente für den US-Markt eingelassen und werden deshalb von Trumps Zöllen verschont. Die EU hat sich nicht erpressen lassen. Das lässt hoffen auf die passende Antwort, denn Diplomatie und Argumente, der Hinweis auf internationale Institutionen und Fairplay kommen nicht an im Weißen Haus.
Halsbrecherischer Kurs
Das war selbst unter George W. Bush anders. Der Vorvorgänger Trumps erwog vor gut anderthalb Jahrzehnten die Einführung von Zöllen auf importierten Stahl – und rückte davon ab, als ihm die Welthandelsorganisation WTO deutlich machte, dass er damit gegen ihre Grundsätze und Regeln verstoßen würden.
Das ist heute auch noch so, doch Trump interessiert die WTO nicht. Er steuert halsbrecherisch die USA aus der Weltgemeinschaft heraus. In einem Handelskrieg gibt es keine Gewinner. Und wer zahlt überhaupt die Zölle?
Die weiterverarbeitende Industrie in den USA muss sich auf steigende Stahlpreise einstellen. Dass dann die einheimischen Stahlproduzenten in die Bresche springen, glaubt vielleicht Trump. Doch dazu ist die US-Industrie nicht in der Lage. Am Ende schießt sich Trump selbst ins Knie und torpediert die von ihm proklamierte Re-Industrialisierung der USA.
Ökonomisch ähnlich blödsinnig wie die Zölle ist Trumps Steuerpolitik. In der Hochkonjunktur verschenkt der Staat Hunderte Milliarden vor allem an Unternehmen und Wohlhabende und forciert damit die Inflation und den Trend zu steigenden Zinsen, der bald die US-Konjunktur bremsen wird. Die USA verkommen zu einem Land, in dem vom Präsidenten die Spaltung tiefer getrieben wird und in dem so etwas wie öffentliche Daseinsvorsorge mit Investitionen in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur kein Geschäftsmodell für Donald Trump ist.
Merkel kann sich nicht länger drücken
Der Mann im Weißen Haus wurde mit zwielichtigen Methoden als Dealmaker auf dem Immobilienmarkt reich. Geschäfte mit ihm macht man anders als mit einem Ehrbaren Kaufmann. America First – das ist Politik mit großer Klappe und Baseballschläger. Wer nicht spurt, der bekommt Probleme, wer nach Trumps Regeln mitmacht, der bekommt einen Deal.
Die EU wehrt sich dagegen, ebenso die Chinesen und die Russen. Das bedeutet nicht den Beginn einer Troika gegen die USA. Doch wer Verbündete glaubt bestrafen zu können, der geht das Risiko ein, dass die alten Freunde eine neue Sicht bekommen auf die Verhältnisse in der multilateralen Welt, die gänzlich anders ist als aus den Fenstern des Weißen Hauses.
Selbstverständlich hat auch diese transatlantische Krise positive Seiten. Die Arroganz und Egozentrik amerikanischer Außen- und Handelspolitik wird deutlich wie schon lange nicht mehr. Und da man sich auf die Amerikaner nicht mehr verlassen kann, müssen die Europäer zusammenstehen. Angela Merkel und Emmanuel Macron haben das verstanden, bei manchem osteuropäischen Trump-Sympathisanten dürften die Strafzölle den Erkenntnisprozess beschleunigen. Auf dem EU-Gipfel Ende Juni muss dann vor allem Merkel die deutschen Vorstellungen für Europa erläutern. Auch dank Trump kann sie sich nicht länger drücken.