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Liest der Europapolitik der Bundesregierung die Leviten, die von seiner CDU-Parteifreundin Angela Merkel geführt wird: EU-Kommissar Günther Oettinger.
© Wiktor Dabkowski/dpa

EU-Kommissar Oettinger zur Europawahl:: "Trump hilft, Erdogan hilft, Putin hilft, Brexit hilft"

In drei Wochen ist Europawahl. Die Krisen anderswo machen die Deutschen vernünftig, sagt Oettinger. Aber die deutsche Regierung versage vor Europa.

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger hat der Bundesregierung in ungewöhnlich scharfer Form Versäumnisse in der Europapolitik vorgehalten. "Ich beobachte mit großem Bedauern, wie wenig Impulse in der Europapolitik von der Bundesregierung kommen", sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel vor der Europawahl am 26. Mai. Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD trage den Titel: "Ein neuer Aufbruch für Europa". Davon habe er bisher wenig oder gar nichts gespürt, meinte Oettinger.

"Die deutsche Politik ist viel zu wenig mit europäischen Perspektiven beschäftigt", fügte er hinzu. Sie führe "primär eine nationale Debatte". Die Bundesregierung habe zu lange mit der konstruktiven Erwiderung auf die Reformvorschläge von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron gewartet. "Es fehlen die größeren Überlegungen und Visionen. Es dominiert das kleine Karo."

Als Beispiel für die Kluft zwischen den Versprechungen von Union und SPD im Koalitionsvertrag und tatsächlicher Politik der Bundesregierung nannte Oettinger die Haushaltspolitik. Die deutsche Zusage, mehr in den Europäischen Haushalt einzuzahlen, um neue Aufgaben zu finanzieren und die Brexit-Lücke in Teilen zu schließen, finde sich "bisher nur auf dem Papier in Berlin, aber nicht auch nur in einem einzigen Protokoll einer EU-Ratssitzung".

Vor der Europawahl haben die krisenhaften Zuspitzungen in anderen Ländern nach Ansicht des CDU-Politikers das Bewusstsein der Deutschen für die Notwendigkeit der EU gestärkt. "Schwierige Entwicklungen" würden dazu beitragen, das Bewusstsein für das Wesentliche zu schärfen, meinte Oettinger: "Trump hilft, Erdogan hilft, Putin hilft, Brexit hilft."

Angesichts des nahenden Wahltermins nimmt die Debatte darüber an Fahrt auf, welche Fraktionen im neuen Europäischen Parlament (EP) zusammenarbeiten und womöglich eine Mehrheit für die Wahl des Chefs der EU-Komission stellen können. Der Vorsitzende des Bündnisses Liberaler Parteien in Europa (ALDE), Guy Verhofstadt, kündigte diese Woche an, das Bündnis nach der Wahl aufzulösen und einen Block im Zentrum des EP mit der En-Marche-Bewegung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bilden. En Marche nennt die eigene Wahlkampagne „Renaissance“. Derzeit hat die ALDE-Fraktion 69 Mitglieder aus 21 Ländern und ist die viertstärkste Gruppe im EP – nach der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP, 216 Sitze), den Sozialdemokraten (S&D, 185 Sitze) und den konservativen EU-Skeptikern (EKR, 77 Sitze). Hinter den Liberalen liegen die Fraktionen der Grünen und der Linken mit je 52 Sitzen sowie zwei rechtspopulistische EU-skeptische Gruppen mit 42 und 36 Sitzen und die 20 fraktionslosen Europaabgeordneten. Das geplante Bündnis könnte nach der Wahl zur drittstärksten Fraktion im neuen EP werden.

Der stellvertretende Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im EP, David McAllister (CDU), äußerte sich dagegen zurückhaltender zu einer Zusammenarbeit der EVP mit En Marche. "Das werden wir schauen nach der Wahl, wie die Mehrheitsverhältnisse sind", sagte er dem Deutschlandfunk. Grundsätzlich könne man aber im Parlament "auch mit der französischen Partei von Herrn Macron zusammenarbeiten".

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