Kritiker zu Außenpolitik: Trump gefährdet die Glaubwürdigkeit der USA
Ob Nahostpolitik oder das Verhältnis zu den Nato-Bündnispartnern: Unter Trump wird die amerikanische Außenpolitik zunehmend unberechenbar.
Der Außenminister sendet versöhnliche Signale in der Katar-Krise, die vom Präsidenten gleich wieder kassiert werden. Hochrangige Berater lassen eine Passage zum gegenseitigen Beistandsversprechen der Nato-Partner in eine Rede des Staatschefs einbauen – um dann festzustellen, dass der Absatz wieder aus dem Text gestrichen wird. Donald Trump hat in den vergangenen Wochen mehrere Kostproben einer Außenpolitik gegeben, die so erratisch ist wie der US-Präsident selbst. Amerikas Partner sind verunsichert, Beobachter bestürzt.
"Das ist doch nicht normal", schimpft David Mack, ein ehemaliger amerikanischer Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Der Ex-Diplomat, der heute für das Middle East Institute in Washington arbeitet, wirft Donald Trump vor, die Experten der Regierung zu ignorieren. Normalerweise unterstütze ein Präsident seine Fachminister auch und gerade in der Außen- und Sicherheitspolitik, sagte Mack dem Tagesspiegel. Doch bei Trump sei das anders.
Mit Entsetzen haben Mack und andere Fachleute verfolgt, wie die Trump-Regierung in den vergangenen Wochen mit Blick auf den Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Katar herumeierte. Während Außenminister Rex Tillerson die Streithähne zu Kompromissen aufrief und an einem Krisentreffen in Washington arbeitete, trat Trump vor die Presse, überhäufte die Kataris mit Terror-Vorwürfen und betonte, die Boykottaktion der Saudis und der Vereinigten Emiraten gegen Katar sei auch als Ergebnis seiner Entscheidungen zustande gekommen.
Das Chaos gefährdet die Glaubwürdigkeit der USA
In jeder Regierung gibt es hin und wieder Koordinationsprobleme, doch bei der Trump-Administration hat das Chaos ein Maß erreicht, das nach Ansicht von Kritikern die Glaubwürdigkeit der USA gefährdet. Kurz nach den scharfen Worten des Präsidenten gegen die Kataris unterzeichnete Verteidigungsminister James Mattis ein Abkommen über die Lieferung von US-Kampfflugzeugen im Wert von zwölf Milliarden Dollar an die der Terrorhilfe bezichtigte Regierung in Doha. Mattis bescheinigte den Machthabern in Katar, die von Trump wegen der Finanzierung islamistischer Gruppen scharf angegangen worden waren, sie seien auf dem richtigen Weg.
Auch während Trumps Besuch bei der Nato im vergangenen Monat war die Verwirrung in der Regierung für alle sichtbar. Tillerson und Mattis wollten ein klares Bekenntnis von Trump zum Beistandsversprechen nach Artikel Fünf des Bündnisvertrags durchsetzen. Doch der Präsident überging den vorbereiteten Absatz zu diesem Thema in seiner Ansprache. Ob Trump selbst den Redetext änderte, oder ob rechtspopulistische Berater wie Stephen Bannon dafür verantwortlich waren, blieb offen. Doch auch bei diesem Thema blieb Trump nicht beim einmal eingeschlagenen Kurs. Nach seiner Rückkehr nach Washington betonte er bei einer Pressekonferenz, unter seiner Präsidentschaft seien die USA zur Einhaltung von Artikel Fünf verpflichtet.
Trump will vor allem eins: Traditionen, Bündnisse und Verträge infrage stellen
Zum Teil ist die Verunsicherung, die durch den Schlingerkurs entsteht, von Trump durchaus gewünscht. Der außenpolitisch unerfahrene Immobilienunternehmer im Weißen Haus tritt mit dem erklärten Ziel an, Traditionen, Bündnisse und internationale Verträge zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern. Das gilt unter anderem für die militärische Lastenteilung innerhalb der Nato. Der US-Präsident sieht einen persönlichen Erfolg darin, dass die Bereitschaft europäischer Allianz-Mitglieder zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben wächst.
Doch Trump verursacht auch dort Verwirrung, wo dies den Zielen seiner Politik schadet. Im Nahen Osten bemüht sich der Präsident, verlorenes Vertrauen der muslimischen Partner zurückzugewinnen – das Hin und Her in der Katar-Frage bewirkt jedoch das Gegenteil. Dass Donald Trump dennoch die Nahostpolitik immer wieder aufmischt, habe mit der Persönlichkeit des Präsidenten zu tun, sagt Owen Daniels von der Denkfabrik Atlantik Council. Indem er Tillerson und Mattis beim Katar-Streit widerspreche, zeige er seinen Mitarbeitern und der Öffentlichkeit, "wer der Boss ist", sagte Daniels dem Tagesspiegel. Trump setzt seine außenpolitischen Schwerpunkte nicht nach eingehender Beratung mit Fachleuten, sondern per Twitter.
Das nervt, finden manche Partner der Vereinigten Staaten. Von einer verlässlichen Außenpolitik Amerikas könne keine Rede mehr sein, sagte ein hochrangiger europäischer Politiker kürzlich in Washington. Auch in der US-Hauptstadt selbst wird Trump gerügt.
Der Kongress steuert gegen
Der von den Republikanern beherrschte Senat setzte in den vergangenen Wochen mehrere unmissverständliche Zeichen. Einstimmig stellten sich die Senatoren hinter das Beistandsversprechen in der Nato. Außerdem beschloss die Kammer neue Sanktionen gegen Russland und kritisierte das Vorhaben der Trump-Regierung, Haushaltsmittel für das Außenamt radikal zu kürzen.
Auf diese Weise entwickele sich das Parlament zum Partner verunsicherter Verbündeter der USA, merkte die "New York Times" kürzlich an. Die Einflussmöglichkeiten des Senats sind jedoch begrenzt. Auch Minister wie Tillerson oder Mattis haben bei Donald Trump nicht viel zu melden, sagte Jon Finer, früherer Stabschef von Ex-Außenminister John Kerry, der "Washington Post". Die ganze Welt schaue nur darauf, was der Mann an der Spitze der USA zu sagen habe.
Die neue Ära der Unberechenbarkeit der Vereinigten Staaten von Amerika hat demnach gerade erst begonnen.