Proteste im Iran: "Trump fordert zur offenen Revolte auf"
Grünen-Politiker Omid Nouripour plädiert für klare Worte gegenüber dem Iran. Dass aber der US-Präsident die Systemfrage stelle, sei Gift für die Proteste. Ein Interview.
Die Proteste im Iran und die gewaltsamen Reaktionen des Regimes beunruhigen die Weltöffentlichkeit. Der Tagesspiegel sprach mit Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen. Der 42-jährige Frankfurter gehört seit 2006 dem Bundestag an. Er wurde in Irans Hauptstadt Teheran geboren.
Herr Nouripour, wie sollte der Westen, sollten Europa und Deutschland auf die Proteste im Iran reagieren?
Auf jeden Fall nicht so wie US-Präsident Donald Trump! Also immer wieder andeuten, dass man auf einen Regimewechsel hofft. Aber es darf auch nicht geschwiegen werden, weil man fürchtet, dass damit das Atomabkommen am Ende wäre. Das Wesentliche ist deshalb, ganz offen über die Menschenrechte zu reden. Die Iraner haben ein Anrecht darauf, friedlich zu protestieren. Selbst Präsident Hassan Ruhani sagt, dass viele Anliegen der Demonstranten berechtigt sind. Dann muss der Staat auch dementsprechend auf die Kundgebungen reagieren.
Was können die Europäer konkret tun?
Eine klarere Sprache finden. Dass Sigmar Gabriel als geschäftsführender Außenminister ganze fünf Tage braucht, um sich zu äußern, war sehr unbefriedigend. Und dann ist er auch nicht deutlich genug geworden. Das gilt ebenfalls für die EU. Dabei muss der Führung im Iran vor Augen geführt werden, dass es Konsequenzen haben wird, wenn sie die Freiheitsrechte der Menschen missachtet.
Welche Konsequenzen sind denkbar?
Das Regime sollte ein großes Interesse daran haben, dass sich die wirtschaftliche Situation der Bevölkerung bald verbessert. Dafür braucht man Investitionen. Doch wer will schon in einem Umfeld investieren, in dem friedliche Demonstranten verprügelt und misshandelt werden?
Wird sich das Regime davon beeindrucken lassen? Normalerweise denken die Machthaber überhaupt nicht daran, sich von außen etwas sagen zu lassen.
Normalerweise haben die Herrschenden große Angst davor, dass die Systemfrage gestellt wird. Und das passiert gerade – wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation. Deshalb ist ökonomischer Druck sehr wohl von Relevanz und kann etwas bewirken. Aber auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen, den Trump vermittelt: Dass es allein darum geht, das Regime zu stürzen.
Der US-Präsident sagt, die Iraner sehnen sich nach Nahrung und Freiheit. Was ist daran falsch?
Donald Trump macht doch viel mehr! Denn er fordert zur offenen Revolte auf und stellt damit die Systemfrage. Doch wenn das von Washington oder Berlin aus gefordert wird, dann ist das Gift für die Proteste.
Inwiefern?
Jeder einzelne Iraner, der im Moment auf die Straße geht, kann so vom Regime ohne Weiteres als ausländischer Agent verunglimpft werden.