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US-Präsident Donald Trump zu Besuch bei Soldaten
© dpa/AP/Evan Vucci

US-Truppenabzug aus Deutschland: Trump droht verlässlich – die Deutschen erregen sich verlässlich

Der US-Präsident plant angeblich, ein Drittel seiner Truppen aus Deutschland abziehen. Statt Erregung wäre eine nüchterne Betrachtung nötig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Donald Trump will angeblich ein Drittel der US-Truppen aus Deutschland abziehen. Und sogleich erregt sich die halbe politische Klasse. Was für eine verfahrene Beziehung! Bei Trump wie auch in vielen deutschen Reaktionen diktiert der Ärger die Worte. Und die verlassen den Mund (oder das Twittergerät) oft schneller, als der Verstand sie kontrollieren kann.

Die Truppen hier dienen den Interesse der USA

Bitte mehr Gelassenheit. Trump baut seit langem Druck auf, damit Deutschland mehr zur Verteidigung in der Nato beiträgt: die vereinbarten zwei Prozent der Wirtschaftskraft. Doch seine Drohungen entfalten wenig Wirkung, weil sie wenig glaubhaft sind. Niemand schießt sich mit Absicht selbst ins Bein. Jedenfalls, solange die Vernunft regiert.

Die US-Truppen sind nicht hier, um den Deutschen einen Gefallen zu tun. Sie dienen Amerikas vielfältigen Interessen. Sie sind das organisatorische Rückgrat der gemeinsamen Verteidigung Europas durch die Nato, aber auch das Rückgrat der nationalen Operationen der USA von Afrika bis Afghanistan, von Italien bis Irak.

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Leere Drohung: Die USA geben Ramstein und Landstuhl nicht auf

Mit einem Abzug von 9500 US-Soldaten, also fast einem Drittel, würde Trump die militärische Handlungsfähigkeit der USA in diesem geostrategischen Raum einschränken. Die Generäle und der US-Kongress wollen weder das Luftdrehkreuz Ramstein schließen noch das Militärkrankenhaus Landstuhl; dort werden fast alle Verwundeten auf dieser Seite des Atlantiks gepflegt, und dort haben die USA in jüngster Zeit über eine Milliarde Dollar investiert.

Sie können auf die Infrastruktur für Kommandogewalt, Logistik, Aufklärung hier in Deutschland weder verzichten noch sie nach Polen verlegen. Und warum sollen sie etwas teuer neu aufbauen, was bereits existiert und belastbar funktioniert?

Ähnlich Ärger-gesteuert sind viele deutsche Reaktionen. Es ist bisher völlig unklar, welche US-Einheiten Trump angeblich abziehen möchte. Hat er überhaupt ein Konzept? Er hat eine Zahl und eine – womöglich leere – Drohung in den Raum geworfen.

Und die deutschen Interessen?

Deshalb wären auch die Deutschen gut beraten, nüchtern ihre Interessen zu bedenken. Zu denen gehören die strategische und die bündnispolitische Sicherheit für sie selbst und ihre Nato-Verbündeten in Europa. Die gibt es, so wie die Bundeswehr aufgestellt ist, nicht ohne die USA.

Ganz egal, ob man Trump glaubt, dass er den Abzug will, oder ob man sich prinzipiell unabhängiger von den USA machen möchte – es läuft aufs Gleiche hinaus. Deutschland muss selbst mehr zur Verteidigung Europas beitragen.

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