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US-Botschafter Richard Grenell besucht US-Soldaten in Deutschland.
© Klaus-Dietmar Gabbert/zb/dpa

US-Botschafter Grenell droht mit US-Truppenabzug: Hochmut, leere Drohungen und Trotz

Trump lässt die US-Truppen in Deutschland, schon aus Eigeninteresse. Es geht um wertvolle Infrastruktur, nicht um leicht verlegbare Einheiten. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Hochmut zählt zu den sieben Todsünden. Er verbaut den Blick auf die eigenen Interessen. Er erschwert in einer Partnerschaft die Kooperation und die Lösung anstehender Probleme, weil die Partner den Hochmut spüren und mit beleidigtem Trotz reagieren. Die Kommunikation zwischen Deutschland und Trumps USA ist seit geraumer Zeit eine Geschichte von zwei Hochmütigen. Sie reagieren auf den Hochmut des Partners so gereizt, dass sie sich schwer tun, ihren eigenen Vorteil wahrzunehmen und ihrer jeweiligen Öffentlichkeit zu erklären.

Deutschland ist Drehscheibe globaler US-Operationen

Jüngstes Beispiel ist die Drohung des US-Botschafters Richard Grenell, US-Truppen aus Deutschland nach Polen zu verlegen, falls Deutschland sich nicht als verlässlicher Alliierter erweist. Unter Bündnistreue versteht er ganz aktuell, dass die Bundeswehr sich am Geleitschutz für Handelsschiffe im Persischen Golf beteiligt und die Bundesregierung die Verteidigungsausgaben kräftig erhöht und die dramatischen Ausrüstungsmängel der deutschen Streitkräfte behebt.

Unter der Annahme, dass Donald Trump und sein Botschafter noch alle Sinne beisammen haben, kann man das getrost als leere Drohung abtun. Die militärische Präsenz der USA in Deutschland dient den Interessen beider Seiten. Ihr Charakter hat sich verändert. Es sind nicht mehr über 300.000 Soldaten überwiegend in Kampfeinheiten, die die Bundesrepublik im Kalten Krieg gegen einen Angriff des Warschauer Pakts verteidigt hätten. Der Großteil davon ist abgezogen.

Die USA haben aber auch heute noch mehr Soldaten in Deutschland als in jedem anderen Ausland, je nach Lage zwischen 35.000 und gut 50.000. Aus den Jahrzehnten des Kalten Kriegs, in denen die USA die wichtigste Schutzmacht waren, ist die strategische Infrastruktur geblieben, vor allem in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern: das größte US-Militärlazarett außerhalb der USA in Landstuhl. Das Luftdrehkreuz in Ramstein. Die Kommandozentrale für Operationen in Europa und auf dem afrikanischen Kontinent im Raum Stuttgart. Ein großes Munitionsdepot für ganz Europa undsoweiter.

Es ist die Infrastruktur für erdumspannende Operationen der USA. Jeder Soldat, der in Afghanistan oder im Irak verwundet wurde, wurde, sobald er transportfähig war, nach Ramstein ausgeflogen und nach Landstuhl gebracht. Jeder US-Präsident macht bei jedem Deutschland-Besuch dort Station. Wer in den USA die Fernsehnachrichten über eine internationale Militärmission in Afrika verfolgt, sieht auf dem Bildschirm eine Karte, in der Deutschland als beteiligtes Land markiert ist, selbst wenn die Bundeswehr an dem Einsatz nicht teilnimmt, weil die US-Truppen von Stuttgart aus befehligt werden.

Tausende Deutsche verdienen ihr Geld beim US-Militär

Die USA haben nach Ende des Kalten Kriegs immer wieder neue Milliarden in diese Infrastruktur investiert. Und sie planen weitere Milliarden-Investitionen in den kommenden Jahren, weil diese Infrastruktur wertvoll für die USA ist. Deutschland ist ein stabiles Land, das unabhängig von Regierungswechseln am transatlantischen Bündnis festhält. Die USA finden hier einen Arbeitsmarkt mit gut ausgebildeten Menschen. US-Soldaten sind gerne in Deutschland.

Im Kern dieser Partnerschaft geht es also nicht um mobile Kampfeinheiten, die man leicht nach Polen verlegen könnte. Trump und Grenell würden, wenn sie die Drohung wahrmachen wollten, viele Milliarden Dollar Steuergelder, die in dieser Infrastruktur stecken, in den Wind schreiben. Und müssten neue Milliarden investieren, um in Polen vergleichbare Infrastruktur aufzubauen. Warum sollten sie das tun?

Zudem verstößt eine Truppenverlegung in die neuen Nato-Staaten zum ständigen Aufenthalt dort gegen die Nato-Russland-Akte. Und ebenso der Aufbau permanenter Nato-Infrastruktur dort. Dieses Argument ist allerdings nicht mehr so stichhaltig, weil Russland den Vertrag mehrfach gebrochen hat. Was ist ein Abkommen wert, das nur eine Seite einhält?

Der Hochmut der Deutschen

Hochmütig wirken freilich auch viele Äußerungen in Deutschland. Die Regierungspartei SPD verhält sich so, als sei die Forderung, Bündniszusagen einzuhalten, ein guter Grund, es erst recht nicht zu tun, wenn das Verlangen von Trump oder seinem Botschafter kommt. Bündnisverpflichtungen erfüllt man aus Eigeninteresse und nicht, um einem Partner einen Gefallen zu tun. Aus vielen Gründen liegt es auch im deutschen Interesse, dass die militärische US-Infrastruktur hier bleibt. Sie ist ein Pfand dafür, dass die USA die Verteidigung Deutschlands als Eigennutz betrachten. Tausende Arbeitsplätze für deutsche Zivilbedienstete hängen an der US-Präsenz, zum Gutteil in Regionen, die ansonsten strukturschwach sind.

Insofern hat sich wenig an der deutschen Widersprüchlichkeit aus früheren Jahrzehnten geändert. Der Ruf „Ami, go home!“ ist nur solange populär, wie er folgenlos bleibt. Sobald die USA tatsächlich Truppen abziehen, bitten auch SPD-Bürgermeister betroffener Kommunen darum, dass die Amis doch bitte bleiben sollen.

Die Verlegung scheitert an maroden deutschen Brücken

Grenells Drohung müssen die Deutschen nicht sonderlich ernst nehmen. Wohl aber die Auslöser für seinen Ärger. Deutschland erfüllt seine Bündnisverpflichtungen nicht, in mehrfacher Hinsicht. Nicht bei den Ausgaben für Verteidigung. Nicht bei der Ausrüstung der Bundeswehr und den Zusagen, was die deutschen Truppen der Nato an Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Und nicht bei der Infrastruktur. Wenn die USA tatsächlich Truppen in östliche Nato-Länder verlegen wollten – oder wegen einer Bedrohungslage schnell von US-Schiffen in Bremerhaven ins Baltikum bringen müssten – ginge das nicht per Schiene, weil viele deutsche Eisenbahnbrücken das Gewicht eines Zuges mit militärischem Gerät nicht aushalten. Brückensanierung: Da trifft sich das zivile ökonomische Interesse mit den Anforderungen für eine glaubwürdige Verteidigung Europas.

Schluss mit dem Hochmut. Grenell und die Deutschen haben allen Grund, mehr darüber zu reden, wie wertvoll das Bündnis für sie selbst ist. Und was sie beitragen wollen, um es noch wertvoller zu machen.

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