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US-Präsident Donald Trump fordert härter gegen die Demonstranten durchzugreifen.
© REUTERS/Jonathan Ernst
Update

„Sie müssen härter sein“: Trump droht mit dem Einsatz der „unbegrenzten Macht des Militärs“

Nach dem Tod von George Floyd in Minneapolis ist die Lage eskaliert. Der US-Präsident nennt die Demonstranten linke Chaoten.

Wegen Ausschreitungen in vielen Städten hat US-Präsident Donald Trump örtlichen Behörden mit dem Einsatz der „unbegrenzten Macht des Militärs“ gedroht. Gouverneure und Bürgermeister müssten „viel härter“ vorgehen, sonst werde die Regierung einschreiten, drohte er am Samstag über Twitter. Die Regierung sei bereit, das nötige zu tun, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Dann werde es auch „viele Festnahmen“ geben, drohte er über Twitter während eines Flugs in den Bundesstaat Florida.

Trump hatte bereits kurz zuvor erklärt, er habe dem Bundesstaat Minnesota wegen der gewaltsamen Proteste die Hilfe der Streitkräfte angeboten. Die Soldaten stünden bereit und könnten „sehr schnell“ vor Ort sein, sagte Trump am Samstag im Garten des Weißen Hauses.

US-Justizminister spricht von „anarchistischen Linksextremisten“

US-Justizminister William Barr hat linke Gruppierungen für die Ausschreitungen verantwortlich gemacht. Die Gewalt sei geplant und gehe auf das Konto von „anarchistischen Linksextremisten“, erklärte Barr am Samstag. Die „gewaltsamen radikalen Elemente“ nutzten friedliche Demonstrationen aus, um ihre eigene Agenda durchzudrücken, sagte er. Der Minister führte zunächst keine Beweise für seine Aussage an.

Die Justiz werde die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, erklärte Barr. Wer sich für Gewalttaten in andere Bundesstaaten begebe, werde nach dem strengeren Bundesrecht strafrechtlich verfolgt, kündigte er an.

New Yorks Bürgermeister verurteilt harten Polizei-Einsatz

New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio kritisierte hingegen das harte Vorgehen der Polizei seiner Stadt bei den Protesten gegen Rassismus kritisiert. Die Beamten seien „sehr heftig und grob“ gewesen und hätten auch gegen friedliche Demonstranten Pfefferspray eingesetzt, sagte de Blasio am Samstag. Der Politiker kündigte eine Untersuchung der Ereignisse an.

De Blasio verurteilte zugleich die Gewalt, die in der Nacht zu Samstag von einigen Demonstranten ausgegangen war. Manche seien mit dem Vorsatz gekommen, Polizisten zu verletzen, sagte er. „Das können wir absolut nicht hinnehmen.“ In New York waren rund 3000 Menschen auf die Straße gegangen. Dabei kam es in den Vierteln Manhattan und Brooklyn zu Ausschreitungen.

Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis hatten sich die Proteste in den vergangenen Tagen auf weitere Städte ausgeweitet und waren teilweise eskaliert. In Detroit wurde am Freitagabend (Ortszeit) ein 19-jähriger Mann getötet, nachdem Schüsse in eine Menge von Demonstranten abgegeben worden waren, teilte die Polizei der Stadt CNN zufolge in einer Erklärung mit. Zudem wurden später in Oakland einem CNN-Bericht zufolge zwei Polizisten des Federal Protective Service von Schüssen getroffen. Einer von ihnen tödlich.

Schwarze und Weiße beteiligten sich an den Protesten

In Minneapolis widersetzten sich die Demonstranten einer Ausgangssperre. CNN-Reporter berichteten in der Nacht zu Samstag, weder Soldaten der Nationalgarde noch Polizisten seien zu sehen. An den Protesten beteiligten sich demnach Schwarze ebenso wie Weiße.

Fernsehbilder zeigten, wie Demonstranten in der Stadt auf einer Schnellstraße marschierten. Sie trugen Schilder mit Aufschriften wie „Bin ich der nächste?“ und „Ohne Gerechtigkeit kein Frieden“. CNN zeigte Bilder von friedlichen Protesten in Minneapolis, aber auch von in Brand gesteckten Autos.

Unbekannter schießt in Detroit in die Menge

Gouverneur Tim Walz sprach am Samstag von einer „unglaublich gefährlichen Situation“. Der Chef der Nationalgarde des Bundesstaats Minnesota, General Jon Jensen, kündigte einem Bericht des Fernsehsenders CBS zufolge an, noch am Samstag sollten in der Stadt 1700 Soldaten einsatzbereit sein.

Floyd war am Montag bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis ums Leben gekommen. Einer der vier an dem Einsatz beteiligten Polizisten wurde am Freitag des Mordes angeklagt. Bei ihm handelt es sich um den weißen Polizisten, der sein Knie minutenlang an den Hals Floyds gedrückt hatte.

Floyd hatte mehrfach um Hilfe gefleht, bevor er das Bewusstsein verlor, wie ein Video festgehalten hatte. Der 46-jährige Schwarze wurde bei seiner Ankunft im Krankenhaus für tot erklärt.

Sender CNN wird angegriffen

Auch in anderen US-Städten kam es in der vierten Nacht in Folge zu Protesten, die vereinzelt in Gewalt ausarteten. In Atlanta griffen Demonstranten das Hauptquartier des Senders CNN an. Der Sender zeigte Live-Bilder aus der eigenen Zentrale, auf denen zu sehen war, wie Demonstranten von außerhalb Objekte auf Polizisten im Eingangsbereich des Senders warfen. In der Stadt wurde auch mehrere Polizeiautos in Brand gesetzt.

Der Gouverneur von Georgia, Brian Kemp, verhängte über Atlanta sowie weitere Städte im Umland den Ausnahmezustand. Etwa 500 Mitglieder der Nationalgarde von Georgia sollen eingesetzt werden, um Menschen und Eigentum zu schützen, schrieb Kemp am Samstag auf Twitter.

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Auch aus New York, Los Angeles, Dallas, Louisville, Las Vegas und anderen Orten wurden Proteste gemeldet. Vor dem Weißen Haus in Washington versammelten sich ebenfalls Demonstranten. Einige von ihnen stießen Barrikaden um.

Weißes Haus für eine Stunde abgeriegelt

Der U.S.-Geheimdienst riegelte US-Medienberichten zufolge das Weiße Hauses für rund eine Stunde ab. Der Geheimdienst hatte die Türen des Pressesaals des Weißen Hauses vorsichtshalber verschlossen und Medienvertreter angewiesen, das Gebiet nicht zu verlassen. „Im Interesse der öffentlichen Sicherheit ermutigen wir alle, friedlich zu bleiben“, schrieb der Secret Service in einem Tweet.

Trump lobte die Sicherheitskräfte des Secret Services für ihre besonnene Professionalität. Falls Demonstranten über den Zaun des Regierungssitzes gekommen wären, hätten ihnen dort allerdings „boshafte Hunde und die bedrohlichsten Waffen“ gedroht, schrieb Trump am Samstag auf Twitter. Dann wären sie „mindestens schwer verletzt“ worden, warnte er.

Walz, Gouverneur von Minnesota, hatte am Freitag eine Ausgangssperre für Minneapolis und die Nachbarstadt St. Paul verkündet, die um 20.00 Uhr (Ortszeit/3.00 MESZ) in Kraft trat. Infolge von Floyds Tod war es in den vergangenen Nächten zu schweren Ausschreitungen in Minneapolis gekommen. Walz hatte am Donnerstag die Nationalgarde mobilisiert und den Notstand für die Stadt und umliegende Gebiete ausgerufen. Die Nationalgarde teilte mit, mehr als 500 Soldaten seien in die Region entsandt worden.

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Die vier an dem Einsatz beteiligten Polizisten wurden entlassen. Sie waren zunächst aber weder festgenommen noch angeklagt worden. Die Untersuchungen gegen die drei anderen Polizisten dauern an. Gouverneur Walz hatte Demonstranten am Freitag eindringlich zum Gewaltverzicht aufgerufen. Probleme wie systematischer Rassismus müssten angegangen werden, dies könne aber nicht passieren, solange noch „Anarchie auf den Straßen herrscht“, sagte Walz.

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Infolge von Floyds Tod war es schon in den vergangenen Nächten zu schweren Ausschreitungen in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota gekommen. Geschäfte gingen in Flammen auf, es kam zu Plünderungen. Demonstranten stürmten auch eine Polizeiwache und legten Feuer. Die Polizei setzte Tränengas gegen Demonstranten ein.

An den Protesten beteiligen sich auch viele Weiße wie hier in St. Louis.
An den Protesten beteiligen sich auch viele Weiße wie hier in St. Louis.
© Lawrence Bryant/Reuters

In dem am Freitag veröffentlichten Haftbefehl für den Ex-Polizisten hieß es, dieser habe sein Knie insgesamt acht Minuten und 46 Sekunden auf den Nacken Floyds gedrückt. In den letzten zwei Minuten und 53 Sekunden habe Floyd keine Lebenszeichen mehr gezeigt. Polizisten müssten auf Basis ihrer Ausbildung wissen, dass diese Art des Festhaltens eines Verdächtigen grundsätzlich gefährlich sei.

Dem Ex-Polizisten werden Mord und Totschlag vorgeworfen

Im Haftbefehl hieß es weiter, der Gerichtsmediziner gehe nach vorläufigen Erkenntnissen davon aus, dass Floyd nicht erstickt sei. Der 46-Jährige habe unter anderen gesundheitlichen Problemen gelitten, die gemeinsam mit der Festsetzung und möglichen Rauschmitteln in seinem Blut vermutlich zu seinem Tod geführt hätten. Dem Ex-Polizisten werden Mord und Totschlag vorgeworfen. Ihm drohen nach den Gesetzen in Minnesota insgesamt bis zu 35 Jahre Haft.

Darüber hinaus kündigte US-Justizminister William Barr an, Bundesbehörden wie das FBI würden parallel zu den Ermittlungen der Behörden in Minnesota untersuchen, ob die betroffenen Polizisten Bürgerrechtsgesetze verletzt hätten. Er sei zuversichtlich, dass der Gerechtigkeit im Fall Floyd Genüge getan werde.

Minnesotas Gouverneur Tim Walz sicherte am Freitag zu, dass die Justiz das Vorgehen der Beteiligten schnell untersuchen werde. Der Gouverneur teilte das Entsetzen über den Vorfall. „Das Kapitel, das diese Woche geschrieben wurde, ist eines unserer dunkelsten Kapitel“, sagte er. Walz rief Demonstranten eindringlich zum Gewaltverzicht auf. Probleme wie systematischer Rassismus müssten angegangen werden, dies könne aber nicht passieren, solange noch „Anarchie auf den Straßen herrscht“, sagte er.

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US-Präsident Donald Trump zeigte sich am Freitag zuversichtlich, dass die Nationalgarde weitere Ausschreitungen in Minneapolis verhindern werde. Trump sagte im Weißen Haus, er habe mit Angehörigen Floyds gesprochen. „Großartige Leute.“ Trump forderte zugleich ein sofortiges Ende der Ausschreitungen. Man könne nicht erlauben, dass die Lage weiter in „Anarchie und Chaos“ abgleite, sagte der Präsident. Er sprach von einer „furchtbaren, furchtbaren Situation“.

Polizisten bringen sich in Minneapolis in Stellung.
Polizisten bringen sich in Minneapolis in Stellung.
© Lucas Jackson/Reuters

Trump hatte zuvor für eine Kontroverse gesorgt, als er auf Twitter mitteilte: „Habe gerade mit Gouverneur Tim Walz gesprochen und ihm gesagt, dass das Militär ganz an seiner Seite steht. Wenn es Schwierigkeiten gibt, werden wir die Kontrolle übernehmen, aber wenn die Plünderungen beginnen, beginnt das Schießen.“ Twitter versah den Tweet mit einem Warnhinweis, weil der Beitrag gegen das Verbot von Gewaltverherrlichung bei dem Dienst verstoße.

Präsident Trump relativiert Aussage aus Tweet

Mit seinem Satz zu möglichen Schüssen auf Plünderer zitierte Trump einen Satz aus dem Jahr 1967, mit dem der damalige Polizeichef von Miami ein hartes Vorgehen gegen die schwarze Bevölkerung angekündigt hatte. Trump relativierte seine Aussage am Freitag in einem weiteren Tweet. Er teilte mit, er habe nur gemeint, dass Plünderungen zu Waffengewalt führen könnten, was ein Fakt sei. Später sagte er, er habe das Ursprungszitat aus Miami gar nicht gekannt.

Trumps voraussichtlicher Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl im November, Joe Biden, erklärte, Trump rufe ausgerechnet in einer für viele Amerikaner schmerzvollen Zeit zur Gewalt auf. Trump schrieb später auf Twitter, sein Tweet beziehe sich nicht auf Sicherheitskräfte, die auf Demonstranten schießen könnten, sondern auf Schüsse, die in der Vergangenheit am Rande von Demonstrationen gefallen seien: „Ich will nicht, dass das passiert, und das bedeutet die Äußerung von gestern Abend.“

Der ehemalige Vizepräsident Biden forderte einen entschlossenen Kampf gegen „systematischen Rassismus“ in den USA. „Durch unser Schweigen, durch unsere Selbstgefälligkeit sind wir Komplizen der Fortsetzung des Kreislaufs der Gewalt“, sagte der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten in einer Videobotschaft. „Leute: Wir müssen aufstehen. Wir müssen uns bewegen. Wir müssen uns ändern.“

In Anspielung auf die jüngsten Äußerungen von Trump fügte er hinzu, in einer solchen nationalen Krise brauche Amerika keine „aufwieglerischen Tweets“, sondern „wirkliche Führung“. Die „Ursünde“ der Sklaverei und deren Folgen belasteten das Land bis heute. „Wir brauchen eine Führung, die alle an den Tisch bringt, damit wir Maßnahmen anstrengen können, systematischen Rassismus auszumerzen“, sagte Biden. Das werde nicht einfach sein. „Aber es geht hier um die Seele Amerikas.“

Biden, der unter Barack Obama Vizepräsident war, will Trump bei der Wahl im November ablösen. Er ist bei Afroamerikanern und anderen Minderheiten deutlich beliebter. Für einen Erfolg muss es ihm jedoch auch gelingen, diesen Unterstützerkreis dazu zu bringen, am Wahltag tatsächlich die Stimme abzugeben. (dpa, AFP, Tsp)

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