Kurz vor Abkommen für Afghanistan: Trump bricht Friedensgespräche mit den Taliban ab
Eine Vereinbarung zwischen den USA und den Taliban für Afghanistan steht kurz vor dem Abschluss. Doch nun macht der US-Präsident überraschend einen Rückzieher.
Kurz vor einem erwarteten Abkommen zwischen den USA und den radikalislamischen Taliban hat US-Präsident Donald Trump die weiteren Friedensverhandlungen völlig überraschend abgesagt. Trump schrieb am Samstagabend (Ortszeit) auf Twitter, er habe ursprünglich für diesen Sonntag in Camp David geheime Treffen mit den Taliban und - getrennt davon - mit Afghanistans Präsident Aschraf Ghani geplant.
Wegen eines tödlichen Anschlags in der afghanischen Hauptstadt Kabul, bei dem auch ein US-Soldat ums Leben kam, habe er die Treffen aber abgesagt - und ebenso die Friedensgespräche mit den Taliban. Ob dies das endgültige Aus für die Verhandlungen ist oder diese nur ausgesetzt sind, blieb zunächst unklar.
US-Außenminister Mike Pompeo schloss eine Wiederaufnahme der Gespräche nicht aus. Die radikalislamische Gruppe müsse ihre "Haltung verändern" und ihre Zusagen einhalten, sagte Pompeo am Sonntag dem US-Fernsehsender ABC. Trump habe noch nicht entschieden, ob US-Truppen aus Afghanistan abgezogen werden sollten.
Die USA und die Taliban sprechen seit Juli 2018 über eine politische Lösung des bald 18 Jahre dauernden Konflikts in Afghanistan. Der US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad hatte am Montag gesagt, man habe sich „grundsätzlich“ auf ein Abkommen geeinigt. Die „grundsätzliche“ Einigung sei aber erst endgültig, wenn sich Trump damit einverstanden erkläre. Sollte Trump zustimmen, könne das Abkommen in den kommenden Tagen verkündet werden. Nun kam alles anders.
Bei den Gesprächen ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. In der Folge sollten innerafghanische Friedensgespräche geführt werden. Bisher hatten sich die Taliban geweigert, mit der Regierung in Kabul zu sprechen, die sie als „Marionette“ des Westens betrachten. Auch ein Waffenstillstand war Thema.
Anschlag als Begründung für die Absage
Trump schrieb auf Twitter, führende Taliban-Vertreter und Ghani hätten eigentlich am Samstagabend in den USA ankommen sollen, um sich am Sonntag in Camp David mit ihm zu treffen. Fast niemand habe davon gewusst. Leider hätten die Taliban aber, „um ihre Verhandlungsposition zu stärken“, einen Anschlag in Kabul begangen, bei dem ein US-Soldat und elf weitere Menschen getötet worden seien. Er habe das Treffen daher sofort gestrichen - und auch die Friedensverhandlungen abgesagt. „Wenn sie keinen Waffenstillstand vereinbaren können während dieser sehr wichtigen Friedensgespräche, und sogar zwölf unschuldige Menschen töten, dann haben sie wahrscheinlich ohnehin nicht die Macht, ein bedeutsames Abkommen auszuhandeln“, beklagte Trump in seinem Tweet.
Die radikalislamischen Taliban hatten ihre Angriffswelle in Afghanistan in den vergangenen Tagen fortgesetzt: Bei zwei Autobombenanschlägen in der Hauptstadt Kabul und in der östlichen Provinz Logar waren nach Behördenangaben am Donnerstag mindestens 16 Menschen getötet worden. Bei der Attacke in Kabul starben zwölf Menschen, darunter zwei Nato-Soldaten. Einer der getöteten Soldaten war Amerikaner. Die Taliban bekannten sich zu beiden Attacken. Seit Jahresbeginn kamen 16 US-Soldaten in Afghanistan ums Leben.
Mit den beiden Autoanschlägen hatten die Taliban innerhalb von fünf Tagen fünf großangelegte Angriffe durchgeführt. Erst in der Nacht zu Mittwoch waren in der nördlichen Provinz Baghlan 33 Zivilisten und Sicherheitskräfte bei Gefechten umgekommen. Die Friedensverhandlungen zwischen den USA und den Taliban wurden in den vergangenen Monaten generell von Gewalt überschattet. Der afghanischen Militärexperte Mohammada Gul Mudschahid hatte nach den jüngsten Anschlägen vom Donnerstag gesagt, die Taliban sähen militärische Gewinne als wichtiges Druckmittel in den Gesprächen mit den USA. Die Botschaft an die USA sei: Obwohl wir mit euch sprechen, können wir Städte überfallen und großangelegte Angriffe ausführen.
Auswirkungen auch für Partner der USA
Dass Trump nun einen einzelnen Anschlag zum Anlass nimmt, den langwierigen Prozess im letzten Moment abzubrechen, kam mehr als überraschend. Er selbst hatte einen möglichen Abzug von US-Truppen sehr vorangetrieben. Trump verfolgt generell den Kurs - und hat dies seinen Anhängern versprochen, möglichst viele US-Soldaten in die Heimat zurückzuholen und die Rolle der USA als „Weltpolizist“ zu beenden.
Die USA hatten Khalilzad zufolge geplant, im Falle einer Übereinkunft mit den Taliban in einer ersten Tranche rund 5000 US-Soldaten aus dem Land abzuziehen. Dem Entwurf des geplanten Abkommens zufolge hätten die US-Streitkräfte demnach innerhalb von 135 Tagen fünf Stützpunkte verlassen sollen, sofern die Taliban die Bedingungen im Abkommen erfüllt hätten. Zurzeit sind etwa 14.000 US-Soldaten in Afghanistan stationiert.
Das Vorgehen der Amerikaner, der militärischen Leitnation in Afghanistan, ist in dieser Frage auch und gerade für internationale Partner von Bedeutung, die ebenfalls Soldaten an den Hindukusch geschickt haben.
Die Amerikaner waren in Afghanistan nach den Flugzeugattentaten von Al-Kaida in den USA am 11. September 2001 einmarschiert. Al-Kaida hatte damals ihre Zentrale in Afghanistan. Die verheerenden Anschläge jähren sich in der kommenden Woche zum 18. Mal. (dpa, AFP)