Tote und Verletzte: Taliban greifen nordafghanische Stadt Kundus an
Die Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban sollen auf einem guten Weg sein. Doch jetzt gibt es neue Kämpfe. Fällt Kundus abermals an die Islamisten?
Kämpfer der radikalislamischen Taliban haben in der Nacht zum Samstag einen groß angelegten Angriff auf die nordafghanische Provinzhauptstadt Kundus gestartet. Dem Provinzrat Ghulam Rabbani zufolge begann der Angriff gegen 1 Uhr nachts (Ortszeit). Die Taliban hätten mehrere Einrichtungen und Gebiete in der Stadt einnehmen können, darunter das Provinzkrankenhaus, die Zentrale der Elektrizitätsversorgung und den dritten Polizeibezirk der Stadt.
Der Angriff erfolgte inmitten der laufenden Gespräche zwischen den Taliban und den USA über eine politische Lösung des seit fast 18 Jahren andauernden Konflikts. Zuletzt hatten sich beide Seiten optimistisch gezeigt, bald ein Abkommen erzielen zu können. Eine Übereinkunft über einen Truppenabzug der USA sei allerdings noch nicht erzielt worden, betonte Donald Trump am Freitag. Die Verhandlungen liefen zwar gut, aber es gebe noch keine Einigung, sagte Donald Trump vor Journalisten in Washington.
Am Donnerstag hatte Trump dem Sender "Fox" gesagt, die USA würden die Zahl ihrer Soldaten in dem Land von derzeit 14.000 auf 8600 verringern. Die Truppen würden auch dann nicht vollständig abgezogen, wenn es eine Vereinbarung mit den Taliban geben sollte. Die USA wollen in den Gesprächen mit den Taliban Zusagen erreichen, dass das Land nicht wieder zum Rückzugsort für Extremisten wird, die in anderen Ländern Anschläge verüben.
Nach afghanischen Behördenangaben erfolgte der Angriff auf Kundus aus mehreren Richtungen. Die Taliban-Kämpfer hätten sich in Häusern verschanzt und würden sich mit den Sicherheitskräften Gefechte liefern, sagte Rabbani. Hubschrauber kreisten über der Stadt. Die afghanische Polizei und Armee befinde sich in der Defensive, da sie das Leben von Zivilisten schützen wollten. Es gebe Tote und Verletzte bei Polizei und Zivilisten, allerdings sei die Zahl unklar. Der Strom in der Stadt sei abgestellt worden, Telekommunikationsverbindungen seien unterbrochen. Sollte die Situation so weitergehen, könne die Stadt abermals an die Taliban fallen, sagte Rabbani. Ein Polizeisprecher erklärte Spezialkräfte seien in der Stadt eingetroffen, um die Taliban zurückzudrängen.
Die Taliban kontrollieren weite Teile der Provinz Kundus, in der bis vor einigen Jahren noch die Bundeswehr als Schutzmacht stationiert war. 2013 übergaben die deutschen Truppen das Lager nach zehn Jahren an afghanische Sicherheitskräfte. Im Rahmen der Nato-Mission „Resolute Support“ ist eine kleine Gruppe von deutschen Soldaten weiterhin dort, um die afghanische Armee zu beraten. Deutschland schiebt inzwischen wieder Geflüchtete in Teile Afghanistans ab.
Provinzräte haben mehrfach vor Angriff gewarnt
Im September 2015 hatten die Taliban in Kundus für etwa zwei Wochen die Kontrolle übernommen. Die afghanischen Sicherheitskräfte konnten die Stadt erst mit Unterstützung massiver US-Luftangriffe zurückerobern. Seitdem haben die Taliban immer wieder Angriffe auf die strategisch wichtige Stadt nahe der Grenze zu Tadschikistan gestartet. Es ist ihnen seitdem aber nicht mehr gelungen, die Stadt vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen.
Provinzräte sagten am Samstag, sie hätten in den vergangenen Wochen und Monaten mehrmals vor einem erneuten Angriff der Taliban auf die Stadt gewarnt. (dpa, AFP, Reuters)