Vor der Amtseinführung: Trump auf Kriegspfad mit den Journalisten
Das Presse-Corps applaudiert Obama zum Abschied. Trump will die Journalisten aus dem Weißen Haus werfen und erntet einen offenen Protestbrief. Eine Analyse.
Der Raum im Weißen Haus hat bescheidene Maße, aber er gehört oft zu den Quellen für die wichtigsten politischen Nachrichten eines Tages. Hier kann man täglich den Puls der Weltmacht messen. Und hier legt ihr Sprecher fast täglich Rechenschaft ab vor den Vertretern der Öffentlichkeit: den White-House-Korrespondenten der wichtigsten Medien. Das Oval Office des Präsidenten liegt nur wenige Meter entfernt.
Seit Tagen schwirrt eine "Breaking News" durch diesen Raum: Es wird ihn womöglich schon bald nicht mehr geben. Donald Trumps Sprecher Sean Spicer spielt öffentlich mit dem Gedanken, die Journalisten aus dem Weißen Haus zu vertreiben. Die Arbeitsbedingungen dort seien allzu beengt, es müsse mehr Platz her, das gehe nur außerhalb des West Wings, dem seitlichen Anbau im Souterrain des Weißen Hauses, der die eigentliche Machtzentrale bildet.
Mitreißendes Manifest über Medien in der Demokratie
Das hat den Zorn vieler Journalisten explodieren lassen. Das Verhältnis des künftigen Präsidenten zu ihnen ist ohnehin gespannt. Nun schwirrt ein "Offener Brief" des Protests herum. Er liest sich wie ein Manifest eines geschlossen auftretenden US-Press Corps. Das stimmt so zwar nicht ganz. Es wird nur ein Autor genannt - Kyle Pope, Chefredakteur der "Columbia Journalism Review", der Fachzeitschrift der Fakultät für Journalistenausbildung an der Columbia-Universität in New York. Es fehlt eine Unterschriftensammlung oder ein anderer Beleg für die Behauptung, dies sei ein Prinzipienkatalog im Namen des gesamten Presse-Corps.
Aber es ist ein glänzend geschriebener Verhaltenskodex über den Umgang unabhängiger Medien mit der Regierungsmacht in einer Demokratie. Dieser Offene Brief spiegelt die Gefühle und das Berufsethos vieler Mitglieder des White House Press Corps. Das spürt jeder, der für ein paar Jahre Mitglied dieser ehrwürdigen, selbstverwalteten Institution sein durfte und Gelegenheit zum regelmäßigen Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen hatte.
Journalisten haben keinen Anspruch auf Zugang
Der Präsident bestimme seinen Umgang mit den Medien, gesteht der Brief zu. Es gebe keinen Anspruch der Journalisten auf Zugang zum Weißen Haus, zum Präsidenten und seinen Mitarbeitern; davon sei weder in der Verfassung noch in Gesetzen die Rede. Aber umgekehrt sei das Recht auf freie Berichterstattung und unabhängige Kommentierung des Regierungshandelns geschützt.
Pope listet fragwürdige Verhaltensweisen Trumps gegenüber Reportern auf. Und droht: Wenn der künftige Präsident versuche, missliebige Journalisten auszuschließen oder ihnen das Fragerecht verweigere - wie Trump das bei seiner jüngsten Pressekonferenz mit CNN-Reporter Jim Acosta tat -, dann werde er, erstens, auf den solidarischen Widerstand eines geschlossenen Presse-Corps stoßen und, zweitens, die Journalisten umso mehr motivieren, die Fakten herauszufinden, die er zu vertuschen versuche. Der Brief spart auch nicht an Selbstkritik: Die Medien haben an Vertrauen bei den Bürgern verloren und selbst dazu beigetragen. "Wir müssen dieses Vertrauen wieder erlangen. Und wir werden das tun mit präziser, furchtloser Berichterstattung. Wir werden unsere Fehler eingestehen."
Der Präsident wählt seinen Umgang mit den Medien - und die Folgen
Erneut drängt sich der Kontrast in Stil und Umgang zwischen dem scheidenden Präsidenten Barack Obama und Nachfolger Trump unübersehbar auf. Obama verabschiedet sich am gleichen Tag bei seiner letzten Pressekonferenz in diesem denkwürdigen Raum mit respektvollen und fast liebevollen Worten vom White House Press Corps. Und dieses Press Corps zeigt umgekehrt seinen Respekt vor diesem Präsidenten und seinem Verständnis der Rolle der Medien mit Applaus.
Vorne steht leicht erhöht das nussbaumbraune Rednerpult mit dem Siegel des US-Präsidenten. In sieben Reihen mit je sieben Klappsitzen sitzt das White House Press Corps. An jedem Sitz ist ein Metallplättchen mit dem Namen des jeweiligen US-Mediums angebracht.
Der Präsident kommt nur selten persönlich - in Barack Obamas Amtszeit alle vier bis sechs Wochen. Er erscheint, wenn er einen besonderen Erfolg persönlich erklären will: ein verabschiedetes Gesetz wie die Gesundheitsreform, gute Wirtschaftszahlen oder die Ergreifung des Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden. Oder wenn er so sehr in der Kritik steht, dass er sich persönlich den Fragen stellt, um die Stimmung zu wenden.
Gewöhnlich steht sein Pressesprecher am Mikrofon. Und am Ton der Fragen und Antworten lässt sich rasch erkennen, ob sich der mächtigste Mann der Welt und sein Ansehen gerade im Auf- oder im Abstieg bewegen.
Trumps Ansehen sinkt, Obamas steigt
Auch Obamas Verhältnis zu den Journalisten war zeitweise angespannt. Jene US-Medien, die sich rechts der Mitte verorten lassen, haben ihn fast durchgängig attackiert. Aber das geschah überwiegend in einer Atmosphäre gegenseitigen Respekts. Trump hat hingegen den Kriegspfad gewählt in seinem Umgang mit Reportern.
Und zumindest tendenziell sind die Mitglieder des Presse-Corps vielleicht doch näher an der Stimmungslage der Bevölkerung. Die Zustimmung zu Trump ist in aktuellen Umfragen auf 40 bis 44 Prozent abgesackt. Obamas Ansehen steigt auf 60 Prozent zum Amtsende.