Schleppende Corona-Impfrate in Deutschland: Trotzdem gibt es Hoffnung für Pflegeheim-Hotspots
Für Hochbetagte ist die deutsche Impfkampagne ein Wettlauf gegen die Zeit – die Todeszahlen steigen. Das gilt vor allem für Sachsen, Berlin ist besser dran.
Von einem Impfdesaster ist Deutschland zwar weit entfernt – liegt aber auch mitnichten als Spitzenreiter vorne. Die deutsche Impfquote liegt zwar mit 0,44 pro 100 Einwohner von Staaten wie Israel mit 14,4 oder den USA und Großbritannien mit jeweils etwa 1,39 weit entfernt.
Andererseits lohnt in Frankreich noch nicht einmal die Nennung einer Quote, weil selbst in absoluten Zahlen erst wenige Tausend geimpft wurden. Im Nachbarland könnte sie fast noch namentlich erwähnt werden. Und in den Niederlanden ist sogar noch kein einziger Mensch geimpft worden. Weil die Regierung es nicht schafft, den Impfstoff aus dem Lager in die Spitäler zu bringen, üben sich Ärzte im Galgenhumor, ob sie nicht den Impfstoff selbst mit dem LKW ins Krankenhaus fahren sollten.
Im Fokus der deutschen Impfstrategie steht der Schutz der Hochbetagten und Pflegebedürftigen. Demnach soll wegen der begrenzten Impfstoffverfügbarkeit die Impfung zunächst nur Personengruppen angeboten werden, die ein besonders hohes Risiko für schwere oder tödliche Verläufe einer Covid-19-Erkrankung haben.
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Die Bundesregierung stützt sich dabei auf die Empfehlungen der Ständige Impfkommission (Stiko). Diese rät zu einer gestaffelten Impfung und hat die Bevölkerung dafür in sechs Stufen eingeteilt. „Innerhalb der Stufe 1 sind die Über-80-Jährigen und die BewohnerInnen von Altenpflegeheimen besonders gefährdet und sollten, trotz schwerer Erreichbarkeit, zu Beginn der Impfaktionen geimpft werden“, schreibt die Stiko.
Doch wie weit ist die Bundesregierung auf dem Weg zu diesem Etappenziel gekommen? Und wie sieht die Perspektive für die nächste Zeit aus?
Die Covid-19-Todeszahlen unter den sehr alten Menschen sind zuletzt sogar noch eher gestiegen. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) haben sich die Zahlen zuletzt wie folgt entwickelt:
Bei den Über-90-Jährigen starben
- zwischen dem 8. und 15. Dezember 691 Menschen,
- in der Folgewoche 1104,
- danach bis zum Impfbeginn 934
- und vergangene Woche 1125.
Bei den Über-80-Jährigen starben
- zwischen dem 8. und 15. Dezember 1522 Menschen,
- in der Folgewoche 2151,
- danach bis zum Impfbeginn 1922
- und vergangene Woche 2138.
Bei den Über-70-Jährigen starben
- zwischen dem 8. und 15. Dezember 599 Menschen,
- in der Folgewoche 822,
- danach bis zum Impfbeginn 709
- und vergangene Woche 834.
Allerdings: Eine Interpretation der Daten bleibt schwierig. Denn um Weihnachten und den Jahreswechsel sind Corona-Fälle laut RKI verzögert entdeckt, erfasst und übermittelt worden. Das heißt, es könnte trotz der steigenden Tendenz sogar noch zu Nachmeldungen kommen.
Klar ist zudem, dass sich für die Hochbetagten auch so schnell keine Besserung einstellen wird. Denn die Impfrate liegt in Deutschland aktuell bei etwa 30.000 pro Tag, mit großen Schwankungen. Mal waren es nur gut 18.000, dann wieder über 50.000.
Zwar sind etwa zwei Drittel der knapp 367.000 bis 5. Januar verabreichten Impfungen laut Daten des RKI an sehr alte Menschen oder Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen gegangen. Konkret heißt das: Bisher sind in Deutschland 150.098 Menschen in Pflegeheimen geimpft. Darüber hinaus wurden 84.867 Senioren über 80 Jahre geimpft.
Doch diesen Zahlen stehen andere aus dem Millionen-Bereich gegenüber. Laut dem Statistischen Bundesamt gehörten im Jahr 2019 bundesweit 6,8 Prozent der Bevölkerung zur Altersgruppe 80 Plus, das entspricht in absoluten Zahlen rund 5,7 Millionen Menschen. Bei den Todeszahlen hat Deutschland den Wettlauf gegen die Zeit also noch lange nicht gewonnen.
Viele Alte ausgerechnet in Sachsen
Zudem gibt es regionale Unterschiede: Ausgerechnet in Sachsen, wo die Inzidenzwerte derzeit besonders hoch sind, liegt der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung mit 8,6 Prozent im bundesweiten Vergleich am höchsten. Auch in den vom Coronavirus besonders betroffenen Ländern Sachsen-Anhalt und Thüringen sind 8,3 Prozent respektive 7,9 Prozent älter als 80 Jahre. Die Metropolen Berlin und Hamburg liegen mit jeweils 5,8 Prozent dagegen unter dem Durchschnitt.
Einen Hoffnungsschimmer könnte jedoch – rein rechnerisch betrachtet – ausgerechnet die Situation in den Pflegeheimen bieten. Den gut 150.000 geimpften Pflegeheimbewohner stehen in Deutschland nämlich erstmal die enorme Zahl von 4,1 Millionen Pflegebedürftigen gegenüber. Aber: Nur 820.000 von ihnen werden in Pflegeheimen, die sich zuletzt zu berüchtigten Corona-Hotsports entwickelt haben, vollstationär betreut. Und allein zwischen dem 27. Dezember und dem 5. Januar wurden eben, wie oben beschrieben, gut 150.000 von ihnen geimpft. Anders ausgedrückt: In nur 10 Tagen ist das Ziel schon zu 18 Prozent erreicht worden.