Wirecard-Untersuchungsausschuss: Treffen mit einem alten Bekannten
Im Wirecard-Ausschuss wird Karl-Theodor zu Guttenberg aussagen. Auch Mitarbeiter des Kanzleramtes und ein Finanzstaatssekretär stehen auf der Liste.
Er ist mal wieder in der Hauptstadt. Karl Theodor zu Guttenberg, einstiger Bundesminister für Wirtschaft und Verteidigung, 2011 gestolpert über eine Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit, hat an diesem Donnerstag einen Termin im Bundestag. Er ist in den Wirecard-Untersuchungsausschuss geladen und wird dort befragt.
Der Anlass ist ein früherer Besuch Guttenbergs in der Regierungszentrale. Am 3. September 2019 war der einstige Star der CSU im Kanzleramt, und zwar direkt bei der Chefin. Angela Merkel hatte sich Zeit genommen für ein „persönliches Gespräch“, wie es in der Antwort auf eine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag Ende August hieß.
Seine Firma: Spitzberg Partners
Ihr früherer Minister erschien unter anderem in seiner neuen Eigenschaft als Chef eines Beratungsunternehmens namens Spitzberg Partners, das er nach seinem Umzug in die USA in New York aufgezogen hat. Er war somit als Lobbyist bei Merkel.
Die flog zwei Tage später nach Peking, zu Gesprächen mit der chinesischen Regierung. Guttenberg war unter anderem im Auftrag der Wirecard AG tätig, die ein starkes Interesse an einem Marktzugang in China hatte und zu diesem Zweck dabei war, den chinesischen Finanzdienstleister Allscore zu übernehmen.
Flankierung zugesagt
Offenbar wurde Guttenberg von Merkel an den Leiter der Wirtschaftsabteilung im Kanzleramt, Lars-Hendrik Röller, verwiesen, dem er noch am selben Tag per Mail erklärte, warum ein Eintreten der Kanzlerin für Wirecard-Interessen in Peking nötig erscheine. Guttenberg bat Röller um „Flankierung“. Der sagte das zu.
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Merkel sprach die Causa Wirecard dann in Peking auch an (das Unternehmen war in der Begleitdelegation nicht vertreten). Das Kanzleramt beteuerte allerdings, dass Merkel damals nichts gewusst habe von möglichen Unregelmäßigkeiten bei Wirecard und Allscore.
Noch ein CSU-Lobbyist
Das Wirecard-Management war auch über Klaus-Dieter Fritsche, den früheren Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, auch er ein CSU-Mann, auf die Merkel-Mitarbeiter zugegangen. Noch am 2. September 2019 hakte Fritsche bei Röller nach, ob es bei einem für den 11. September vereinbarten direkten Treffen mit zwei Wirecard-Managern bleibe. Es fand statt, zum allgemeinen Kennenlernen und nochmals zur Darlegung der Aktivitäten von Wirecard in Fernost. Diese waren damals schon Gegenstand von Presseberichten im Zusammenhang mit dem Verdacht, dass es in der Wirecard-Bilanz nicht mit rechten Dingen zugehe.
Die China-Connection
Dass Wirecard den China-Marktzugang brauchte, um das mutmaßliche Betrugsgeflecht mit künstlich überhöhten Umsätzen weitertreiben zu können, ist eine Vermutung, die im Untersuchungsausschuss eine Rolle spielt. Weshalb neben Röller auch ein weiterer Mitarbeiter des Kanzleramtes in den Ausschuss geladen ist, der intern etwas kritischere Einschätzungen zu Wirecard abgegeben hatte, sowie der frühere Finanzattaché an der Botschaft in Peking, der zum Fall Allscore aussagen soll.
Weitere Zeugen
Den Fragen der Abgeordneten muss sich auch Finanzstaatssekretär Wolfgang Schmidt (SPD) stellen, denn der hatte sich in Peking ebenfalls für Wirecard verwendet – via E-Mail an sein Gegenüber dort. Basis war eine deutsch-chinesische Vereinbarung zur Finanzbranche von Anfang 2019, von der es nun heißt, dass diese möglicherweise schon mit Interessen von Wirecard zu tun hatte.
Letzter Geladener ist Ole von Beust – auch der frühere Hamburger Bürgermeister, ein CDU-Politiker, war als Lobbyist für Wirecard unterwegs und wandte sich deswegen im März 2020 an das Kanzleramt.
Merkel ist im Bundestag einsilbig
Die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe sagt: „Wir wollen vor allem klären: Hat sich die Kanzlerin über die Wirecard-Bedenken ihrer Mitarbeiter auf Grund von Karl-Theodor zu Guttenbergs Intervention hinweg gesetzt?“ Merkel ist darauf am Mittwoch auch im Bundestag angesprochen worden. Aber da sie weiß, dass sie selbst im kommenden Jahr – sozusagen als Highlight – im Untersuchungsausschuss auftreten muss, blieb sie einsilbig.
Was den FDP-Abgeordneten Florian Toncar dazu brachte, doch mal die Grundsatzfrage zu stellen, wer eigentlich in der Regierung verantwortlich für die „Prozesse“ sei, die zu einer Aufdeckung des Wirecard-Betrugs hätten führen müssen. „Die Bundesregierung als Ganzes“, antwortete Merkel, „hat ihre Schlussfolgerungen gezogen.“
Ein Gesetz als Lehre aus der Affäre
Sie verwies auf die Kabinettssitzung am Mittwoch. Dort wurde der Gesetzentwurf zur Stärkung der Finanzmarktintegrität beschlossen. Er ist eine direkte Reaktion auf die Peinlichkeiten im Zusammenhang mit der Wirecard-Pleite und den Bilanzmanipulationen. Die Finanzaufsichtsbehörde Bafin soll künftig bei Verdachtsfällen früher eingreifen können.
Zudem sollen die Bilanzprüfer bei Konzernen alle zehn Jahre wechseln, um Abhängigkeiten zu unterbinden. Auch deren Haftung wird erhöht. Bei unrichtigen Testaten soll künftig eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren möglich sein. Bei Wirecard prüfte die Firma EY die Bilanz.
Behörde in der Kritik
Freilich steht die Bafin selber in der Kritik, ihre bisherigen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft zu haben. Bafin-Mitarbeiter hatten sogar ohne Beanstandungen mit Wirecard-Aktien gehandelt. Der Chef der Behörde, die für die Aufsicht über die Bilanzprüfer zuständig ist, tat das sogar noch in diesem Frühjahr, als bereits ein Sonderbericht der Prüfungsgesellschaft KPMG auf Ungereimtheiten bei Wirecard aufmerksam gemacht hatte. Zumindst bei der Bafin soll das künftig nicht mehr möglich sein.
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