EU-Verträge mit Impfstoffherstellern: Transparenz im Leseraum
Im vergangenen Jahr weigerte sich die EU-Kommission noch, Verträge mit den Impfstoff-Herstellern offenzulegen. Doch das hat sich geändert.
So schnell können sich die politischen Vorzeichen ändern. Noch vor Weihnachten schrieb der Grünen-Europaabgeordnete Rasmus Andresen gemeinsam mit anderen Parlamentariern einen Brief an EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Darin baten die Parlamentarier, dem Europaparlament die Vorabkaufvereinbarung mit den Impfstoff-Herstellern zugänglich zu machen. Von der Leyen antwortete damals, dass eine Weitergabe der Vereinbarungen mit Herstellern wie Biontech/Pfizer oder Moderna während der Verhandlungen nicht möglich sei, da dies "den gesamten Beschaffungsprozess" in Gefahr bringen könne.
In der Zwischenzeit sind allerdings zwei Dinge passiert: Vor allem in Deutschland ist eine Debatte darüber losgebrochen, ob die EU mit dem erfolgreichen Impfstoffentwickler Biontech/Pfizer nicht früher als im vergangenen November zum Abschluss hätte kommen können. Und zum anderen hat die EU mit Biontech/Pfizer weiterverhandelt und 300 Millionen Impfdosen nachbestellt.
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So kam es, dass die EU-Kommission bei der Offenlegung der Verträge ihren Kurs änderte. Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides kündigte an, dass die EU-Abgeordneten nun Zugang zum Liefervertrag mit dem Tübinger Unternehmen Curevac erhalten sollen. Curevac ist eines von insgesamt sechs Unternehmen, mit denen die EU im vergangenen Jahr Vereinbarungen schloss. Wie die Chefunterhändlerin der Kommission bei den Verhandlungen mit den Impfstoffherstellern, Sandra Gallina, vor dem Gesundheitsausschuss des EU-Parlaments am Dienstag erläuterte, sollen möglichst alle Firmen die Verträge in einem Leseraum in der EU-Kommission den Abgeordneten oder deren Mitarbeitern zugänglich machen. Dies setzt allerdings das Einverständnis der Unternehmen voraus.
Ausschussvorsitzender Canfin will Offenlegung für alle Bürger
Vielen Europaabgeordneten geht dies allerdings nicht weit genug. So verlangt der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, der französische Liberale Pascal Canfin, dass die Verträge mit den Herstellern nicht nur für das Parlament, sondern für die gesamte Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen.
EU-Chefunterhändlerin: Wir haben so viel gekauft, wie wir konnten
Die EU-Chefunterhändlerin Gallina zeigte sich im Gesundheitsausschuss erstaunt angesichts der Debatte, ob die EU bei der Bestellung des Impfstoffs zu wenig getan habe. "Wir haben so viel gekauft, wie wir kaufen konnten", sagte sie. Bei den Abschlüssen mit den Herstellern habe vor allem die Schnelligkeit bei der Lieferung und die Menge eine Rolle gespielt. Und natürlich sei es auch um den Preis gegangen. Zur Impfstrategie der EU zähle auch "das Thema der Bezahlbarkeit für die Gesundheitssysteme in Europa", sagte Gallina.
Der Preis dürfte neben den schwierigen Haftungsfragen, die nach den Worten des CDU-Abgeordneten Peter Liese zeitweilig zum Problem bei den Verhandlungen mit Pfizer wurden, auch den relativ späten Abschluss mit dem Mainzer Unternehmen Biontech und seinem US-Partner erklären. Die Impfstoffe von Biontech und Moderna sind teuer als die übrigen Vakzine - und am Ende müssen die Mitgliedstaaten nach einer Vorfinanzierung durch die EU die von ihnen bestellten Dosen bezahlen.
Kommission signalisierte offenbar straffes Budget
Auch der Grünen-Abgeordnete Andresen, der im vergangen Jahr an den Verhandlungen über den künftigen Sieben-Jahres-Haushalt der EU beteiligt war, bestätigt die Bedeutung der Preisfrage bei der Impfstoff-Beschaffung. Von Spitzenbeamten der Kommission sei im vergangenen Jahr signalisiert worden, dass der finanzielle Rahmen eng gesteckt sei, so Andresen.
Chefunterhändlerin Gallina bemühte sich unterdessen am Dienstag, den Blick nach vorn zu richten. Im zweiten Quartal würden alle notwendigen Vakzine zur Verfügung stehen, kündigte sie an. Ende Januar könne es zu einer Zulassung des Impfstoffs des britisch-schwedischen Konzerns AstraZenaca kommen.
Keine Bevorzugung für Deutschland
Zudem stellte die Italienerin klar, dass Deutschland trotz einer bilateralen Vereinbarung mit Biontech keine schnellere Belieferung mit dem Impfstoff erwarten kann. Die Bundesregierung hatte im September einen Vorvertrag über die Lieferung von 30 Millionen Impfdosen mit Biontech/Pfizer geschlossen. Dennoch muss Deutschland zunächst die Verteilung der im EU-Rahmen bestellten Vakzine abwarten. "Auf jeden Fall ist klar, dass die europäischen Bestellungen zuerst kommen", sagte Gallina. Und auch für den Fall, dass einzelne Mitgliedstaaten die georderten Impfdosen nicht in Anspruch nähmen, werde der Überschuss verhältnismäßig unter den übrigen EU-Ländern aufgeteilt.