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Präsident Lukaschenko berät mit seinem Sicherheitsrat.
© Nikolai Petrov,dpa

Weißrussland vor der Präsidentenwahl: Touristen in Tarnanzügen

In Weißrussland werden russische Söldner festgenommen. Präsident Lukaschenko fordert, Moskau müsse den Vorfall aufklären.

Es ist ein unglaublicher Vorwurf: Der weißrussische Präsident Lukaschenko ist überzeugt, Söldner der russischen Privatarmee „Wagner“ seien zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl in sein Land eingedrungen, um das Land mit Terrorakten zu destabilisieren.

33 dieser Söldner sind in der Nacht zum Mittwoch festgenommen worden, rund 200 sollen sich noch unentdeckt in Weißrussland aufhalten. Die Söldner-Affäre dürfte das derzeit turbulente Verhältnis zwischen Minsk und Moskau weiter belasten.

Denn auch wenn der Kreml offiziell immer wieder bestreitet, dass er Verbindungen zu den Wagner-Söldnern unterhält, gibt es Indizien, die genau das nahelegen. Ein Indiz ist ein Foto, das den Söldnerschef Dmitri Utkin in trauter Runde mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zeigt.

Investigative Journalisten aus Russland haben darüber hinaus vielmals recherchiert, wie die Wagner-Truppe im Interesse der russischen Führung in der Ukraine, in Syrien, Libyen, Zentralafrika, Mosambik und wahrscheinlich auch in anderen Regionen im Einsatz ist. In Venezuela sollen Wagner-Söldner einen Teil der Leibwache von Präsident Nicolas Maduro stellen, heißt es.

Kämpfer im Donbass

Die Umstände der Verhaftung in Weißrussland sind merkwürdig, vor allem wenn man um das enge Verhältnis zwischen den Geheimdiensten beider Länder weiß. Die Söldner waren mit großem Gepäck, aber offenbar ohne Waffen in einem Sanatorium bei Minsk abgestiegen.

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Der Leitung seien die Gäste aufgefallen, weil sie „sich nicht wie russische Touristen aufführten“, heißt es in einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Belta. Sie „trugen Tarnanzüge, lehnten alkoholische Getränke ab und nahmen nicht am Unterhaltungsprogramm teil“.

Nach der Festnahme – auch das außergewöhnlich – wurden rasch eine Namensliste und Kurzbiografien der Söldner veröffentlicht. Präsident Lukaschenko berief den Sicherheitsrat ein. Dort ließ er sich vom Geheimdienstchef bestätigen, dass es sich bei den mutmaßlichen Terroristen um russische Söldner handelt. Russland müsse sich dazu erklären, forderte der Präsident.

Nach Angaben der weißrussischen Sicherheitskräfte haben mindestens 14 der festgenommenen Kämpfer ab 2014 im ukrainischen Donbass auf Seiten der Separatisten gekämpft. Auch der russische Schriftsteller Sachar Prilepin will drei Personen auf Bildern erkannt haben. Prilepin, der der verbotenen Nationalbolschewistischen Partei Russlands nahe- steht, war 2017 stellvertretender Bataillonskommandeur bei den Milizen der „Volksrepublik Donezk“.

Warnung vor einem "Maidan"

Der Autor geht davon aus, dass die Söldner in Weißrussland nur auf der Durchreise gewesen seien. „Dass Leute, die in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk gekämpft haben oder kämpfen, nicht nur dort im Einsatz sind, ist lange bekannt“, postete Prilepin auf Facebook. „Sie reisen auch nach Syrien und in andere warme Länder, in denen gekämpft wird.“ Dieses Ziel hätten auch die Wagner-Leute gehabt, behauptet Prilepin auf Facebook weiter.

Den Berichterstattern in weißrussischen Medien erscheint es plausibler, dass es eine Verbindung zu den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen am 9. August gibt. Lukaschenko besuchte in den vergangenen Tagen Spezialeinheiten von Armee und Polizei. Bei einem dieser Auftritte warnte er davor, dass ausländische Söldner versuchen könnten, mit Aktionen auf Wahlveranstaltungen die Lage im Land zu destabilisieren.

In Weißrussland, behauptete Lukaschenko in Anspielung auf den Machtwechsel im Nachbarland Ukraine, gebe es keine Basis für einen „Maidan“. Deshalb könne eine Destabilisierung angeblich nur durch äußere Kräfte herbeigeführt werden.

Die Opposition fürchtet, dass das Regime die Festnahme der Söldner nutzen könnte, um unter dem Vorwand, Ordnung und Sicherheit gewährleisten zu müssen, gegen ihre Kundgebungen vorzugehen. Dort waren Sicherheitskräfte schon öfter hart eingeschritten. Rund 800 Menschen sitzen deshalb bereits in Untersuchungshaft.

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