Islamfeindlicher Film: Toter und Verletzte bei Protesten vor US-Botschaft im Jemen
Bei Protesten vor der US-Botschaft im Jemen fielen Schüsse - mindestens zwei Demonstranten starben. Inzwischen gibt es auch im Iran Proteste gegen den islamfeindlichen Film eines Amerikaners. Möglicherweise mischen sich auch Al Qaida-Anhänger unter die Demonstranten.
Die Angriffe auf diplomatische Einrichtungen der USA in arabischen Staaten weiten sich aus. In Jemens Hauptstadt Sanaa stürmten am Donnerstag mehrere tausend wütende Demonstranten das Gelände der amerikanischen Botschaft, zündeten Autos an und schlugen Scheiben ein, viele riefen "Oh Prophet! Oh Mohammed". Sicherheitskräfte setzten Wasserwerfer ein, gaben Schüsse ab und konnten die Randalierer nur mit Mühe zurückdrängen. Mindestens zwei Menschen wurden getötet, mehrere verletzt. Die Demonstranten protestierten gegen ein in den USA produziertes Video, in dem der Prophet Mohammed verunglimpft wird. Deutsche Sicherheitskreise sagten dem Tagesspiegel, es sei zu befürchten, dass die Ausschreitungen ähnliche Ausmaße annehmen wie die gewaltsamen Proteste gegen die Mohammed-Karikaturen, die 2005 von der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“ veröffentlicht wurden.
Das Auswärtige Amt richtete am Donnerstag in Kooperation mit dem Bundesinnenministerium einen Krisenstab ein. Er soll sich mit der Sicherheit der deutschen diplomatischen Vertretungen in den gefährdeten Regionen befassen. Außerdem berieten hochrangige Sicherheitsexperten über den Schutz amerikanischer Einrichtungen in Deutschland. Die Mitarbeiter des US-Konsulats in Berlin verließen am Donnerstag das Gebäude, nachdem Kollegen über Atemnot geklagt hatten. Es habe aber keine giftige Substanz gefunden werden können, hieß es in Polizeikreisen.
Video: Wütender Mob stürmt US-Botschaft in Jemen
Seit Dienstag demonstrieren aufgebrachte Muslime gegen den billig gemachten und im Internet verbreiteten Film. In der libyschen Stadt Bengasi attackierten militante Islamisten am Dienstag das US-Konsulat und töteten vier Amerikaner, darunter den Botschafter Chris Stevens. Den Angriff schreiben deutsche Experten einer Gruppe Dschihadisten aus dem Umfeld von Al Qaida zu. Die Attacke habe Symbolcharakter, weil sie am elften Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 in den USA stattfand. Angesichts der Schwäche des libyschen Staates nach dem Sturz des Diktators Muammar al Gaddafi sei es Dschihadisten gelungen, in Libyen und vor allem in der Region Bengasi Strukturen aufzubauen, hieß es. Mit Sorge blicken die Experten auch nach Kairo. Dort dauerten am Donnerstag die Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten den dritten Tag an, allerdings mit weniger Teilnehmern. Es gab mehrere Dutzend Verletzte, weil die Sicherheitskräfte die Steine werfenden Jugendlichen von der US-Botschaft Richtung Tahrir-Platz wegdrängten. Bei seinem Besuch in Brüssel versprach der ägyptische Präsident Mohammed Mursi, die ausländischen Botschaften zu schützen. Mursi ist darauf bedacht, dass die Proteste das Verhältnis zu den USA und Europa nicht belasten und die verschiedenen Kreditgesuche Ägyptens nicht gefährden. Er verurteilte den Film zwar ebenfalls scharf, aber ebenso alle „illegalen Aktionen“ der Demonstranten aus vorwiegend salafistischen Kreisen. Die Krawalle verurteilte er jedoch deutlich: Die Tötung Unschuldiger verstoße gegen den Islam, sagte er am Donnerstag im ägyptischen Staatsfernsehen.
Die Proteste gegen die USA gehen weiter:
Die Proteste in der arabischen Welt haben mittlerweile auch auf den Iran übergegriffen. Rund 500 Islamisten protestierten am Donnerstag in Teheran und forderten lautstark den Tod des Filmemachers. Die Demonstranten versammelten sich vor der Schweizer Botschaft, die die Interessen der USA im Iran vertritt. Sie riefen „Tod den USA“ und „Tod für Israel“. Hunderte Wachleute hielten die Iraner davor zurück, die Botschaft zu stürmen. Die USA und der Iran unterhalten keine diplomatischen Beziehungen.
Nach dem tödlichen Angriff auf Amerikas Botschafter in Libyen sind auch in den USA unterdessen Spekulationen über eine Verwicklung des Terrornetzwerkes Al-Qaida laut geworden. Es könne sich um einen gezielten Anschlag der Gruppe am 11. September gehandelt haben - dem elften Jahrestag ihrer Terrorangriffe auf die USA, sagte der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Abgeordnetenhaus, Mike Rogers, am Mittwoch in einem Fernsehinterview. Der Angriff sei „geplant, koordiniert, organisiert ausgeführt“ worden, erklärte Rogers. Er sagte, die US-Geheimdienste hätten noch nicht ermittelt, wer hinter der Tat stecke, aber „unsere Liste wird kürzer“. Sicher habe es sich nicht um eine spontane Tat gehandelt. Ein Sprecher des Weißen Hauses sagte dagegen, es sei noch zu früh für ein klares Urteil. Ein hoher Mitarbeiter des Pentagons wollte nicht bestätigen, dass es sich um einen Al-Qaida-Angriff gehandelt haben könnte. Er meinte aber, dass es eine „komplexe Attacke“ gewesen sei.
Das Pentagon verlegte zwei Kriegsschiffe
Ähnlich wie Rogers äußerte sich der Islam-Experte Fouad Ajami von der Stanford University im Sender CNN: Es gebe immer noch viele aktive Al-Qaida-Kämpfer in Libyen. Die Angreifer setzten Brandbomben und Panzerfäuste ein. Sie hätten das Hauptgebäude und später auch die Nebengebäude mehr als vier Stunden lang beschossen, sagte eine Beamtin des US-Außenamtes in Washington. Das Konsulat habe nach großer Gegenwehr amerikanischer und libyscher Sicherheitskräfte evakuiert werden können. Botschaftsmitarbeiter und auch die Leichname seien auf die US-Militärbasis im pfälzischen Ramstein gebracht worden. Die Vertretung in Tripolis arbeite nur noch im Notbetrieb. Der genaue Ablauf des Angriffs sei noch nicht klar, sagte die Beamtin des State Departments weiter. Nicht sicher sei etwa, wer den Botschafter Chris Stevens aus dem brennenden Konsulat in Bengasi holte - und ob er bei der Ankunft in der Klinik bereits tot war oder dort starb. Erst Stunden nach der Attacke sei den Amerikanern die Leiche des Diplomaten am Flughafen von Bengasi übergeben worden. Der Überfall habe am Dienstag um 22.00 Uhr europäischer Zeit begonnen.
Das FBI schickte nach Angaben aus Behördenkreisen Teams nach Libyen, die die Ermittlungen unterstützen sollen. Das Pentagon verlegte unterdessen zwei Kriegsschiffe vor die libysche Küste. Aus US-Regierungskreisen verlautete, der Zerstörer „USS Laboon“ habe seine Position bereits am Mittwoch erreicht. Die „USS McFaul“ sei auf dem Weg und werde innerhalb weniger Tage ihr Ziel erreichen. Weiter hieß es, die Schiffe hätten keine konkrete Aufgabe. Sie gäben den Kommandeuren jedoch die Möglichkeit, flexibel auf jeden Einsatz zu reagieren, die der US-Präsident anordne.
Video: Die Krawalle und die Ermordung des Botschafters
Zudem hat die US-Regierung etwa 50 Soldaten der Marineinfanterie mobilisiert, um US-Einrichtungen in der Stadt Bengasi zu schützen. Bei einem Angriff auf das dortige US-Konsulat kamen vier Amerikaner ums Leben, darunter auch der Botschafter der USA in Libyen, Chris Stevens. Informierte Kreise erklärten, die entsandten Soldaten seien in Spanien stationiert und gehörten der speziellen Antiterroreinheit FAST an, die kurzfristig auf terroristische Bedrohungen reagieren könne und zum Schutz von Botschaften entsandt werde. Die Truppe sei zunächst auf dem Weg zur US-Botschaft in der libyschen Hauptstadt Tripolis gewesen. Auslöser des Angriffs war ein in den USA produzierter, von Muslimen als islamfeindlich empfundener Film über den Propheten Mohammed.
Der Vorfall löste mitten im US-Wahlkampf auch eine innenpolitische Debatte aus.
Obama kritisierte seinen republikanischen Herausforderer Mitt Romney dafür, dem Weißen Haus vorschnell Vorwürfe gemacht zu haben. Romney hatte seinem Kontrahenten zuvor mangelnde Führungskraft in der Außenpolitik vorgeworfen. „Romney scheint die Tendenz zu haben, erst zu schießen und später zu zielen“, sagte Obama in einem Interview mit dem TV-Sender CBS, wie in Vorabauszügen zu sehen war.
Wer steckt hinter dem Film "Innocence of Muslims"?
Unterdessen hat sich der Macher des umstrittenen Films "Innocence of Muslims" "verstört" über den Tod des US-Botschafters und den Ausbruch der Gewalt gezeigt. Das sagte Steve Klein, der an dem Film mitgearbeitet hatte, und den eigenen Angaben zufolge mit Bacile telefoniert habe. Er wisse aber nicht, wo dieser sich aufhalte. Der Regisseur, der nach Angaben von Klein in Wahrheit nicht Sam Bacile heiße, sei „sehr erschüttert“ über die Nachricht vom Tod des US-Botschafters gewesen, sagte Klein. Er sei auch sehr besorgt um seine Verwandten in Ägypten, die wie der Filmemacher selbst untergetaucht seien.
Bacile drohe dasselbe Schicksal wie dem niederländischen Regisseur Theo Van Gogh, der 2004 wegen eines islamkritischen Films ermordet worden war, sagte Klein. „Wenn er seine Identität preisgibt, wird er sicher ermordet.“ Ihm gegenüber habe sich der Autor des Films beim ersten Treffen mit dem Namen Sam Bacile vorgestellt, berichtete Klein. „Ich bin mir sicher, dass sein wahrer Name ein anderer ist. Ich habe keine Ahnung, warum er 'Sam' und 'Bacile' wählte.“ Laut US-Medienberichten steckt hinter dem Pseudonym ein Immobilienunternehmer aus Kalifornien. Klein sagte, an dem Film „Innocence of Muslims“ seien etwa 15 Menschen beteiligt gewesen. Bekannt wurde der zweistündige Amateurfilm laut „New York Times“ erst, als ein in den USA lebender koptischer Christ das Video auf seinem Blog veröffentlichte.
Die Ausschreitungen in Bildern:
Der Filmemacher hatte sich in einem Interview mit dem „Wall Street Journal“ am Dienstagabend als israelischstämmiger US-Bürger ausgegeben, der eigentlich im Immobiliengeschäft in Kalifornien tätig sei und das Kapital für das Filmprojekt bei jüdischen Spendern aufgetrieben habe. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist aber noch unklar. Ein christlicher Aktivist, der nach eigenen Angaben an dem Filmprojekt beteiligt war, erklärte, Bacile sei ein Pseudonym und der Mann weder Jude noch Israeli. Eine Gruppe von im Nahen Osten geborenen Amerikanern hätten an dem Film mitgearbeitet. Israelischen Kreisen zufolge ist im Land kein Filmemacher namens Bacile bekannt.
Alles, was von dem Film derzeit bekannt ist, sind Ausschnitte auf YouTube in englischer und arabischer Fassung. Während die Ausschnitte in den USA am Mittwoch noch online angeschaut werden konnten, wurden sie in Ägypten aus dem Netz entfernt. Wer in Kairo das Video auf YouTube anschauen wollte, bekam stattdessen zu lesen: „Dieser Inhalt ist nicht abrufbar in ihrem Land wegen einer Rechtsbeschwerde.“ (dapd/dpa/AFP)