Sigmar Gabriel: Der SPD ist ein Kanzlerkandidat abhanden gekommen
Das Griechenland-Drama ist auch ein Drama für Sigmar Gabriel. Er hat in den vergangenen Tagen seine Anwartschaft auf die Kanzlerkandidatur verspielt. Ein Kommentar.
Ja, man kann es bedauern, sogar für die Republik. Da war die SPD, die andere Volkspartei, anscheinend weitgehend zur Ruhe gekommen. Sie hat mal einen Vorsitzenden länger als zwei Jahre, oder jedenfalls so ungefähr, und richtet sich allmählich auf ihn als natürlichen Kanzlerkandidaten ein – und dann das. In der Politik kann man zwar nie wissen, aber Stand heute ist: Sigmar Gabriel wird es nicht. Er wird nicht Kandidat, nicht Kanzler. Er kann es nicht mehr werden.
Warum? Gabriel hat die große Bewährungsprobe nicht bestanden, ausgerechnet beim derzeit größten Thema. Ausnahmsweise geht es dabei mal nicht um Angela Merkel und das, was sie im Griechenland-Drama getan oder unterlassen hat. Sie muss nichts beweisen, sie ist schon Kanzlerin. Nein, wer ins Amt will, steht dagegen in der Beweispflicht, dass er es beherrschen könnte. Der muss Kanzlerqualität zeigen. Nach drei Kriterien: Verlässlichkeit, Stetigkeit, Grundsätze. Nerven und politischer Instinkt für das angemessene Verhalten in der konkreten Situation inklusive.
Logischerweise erklären Gabriels Anhänger im Nachhinein zur Strategie, was vorher keine war, zumindest nicht seine. Auch nicht die von Wolfgang Schäuble, dem Finanzminister von der CDU, aber das steht auf einem anderen Blatt. Dessen Haltung wird auch noch öffentlich verhandelt werden, später allerdings.
Also, behauptet wird: Gabriel hat durch seine vermittelnde Rolle zwischen Merkel und den Sozialisten-Sozialdemokraten, nicht zuletzt François Hollande, die Lösung in Brüssel maßgeblich mit ermöglicht. Er soll es gewesen sein, der half, den Vorschlag „Grexit auf Zeit“ vom Tisch zu bekommen.
Zickzack steht selten für einen guten Kompass
Ein verständlicher Entlastungsversuch in bedrängter Lage – aber er beruht auf Legendenbildung. Tatsache ist erstens: Merkel braucht Gabriel zur Vermittlung bei Hollande oder auch dem Italiener Matteo Renzi nicht. Wie man immer wieder sieht. Und zweitens: Gabriel selbst wollte doch den „Grexit“, ganz so wie Schäuble. Wie man mehrmals gehört hat.
Erst wollte der SPD-Chef einen temporären „Grexit“ vorurteilsfrei geprüft sehen, öffentlich. Dann, als er merkte, dass das für ihn in seiner SPD gefährlich wurde, wie sich an den sozialen Netzwerken in Echtzeit ablesen ließ, konnte er nicht schnell genug davon wegkommen. Aber geglaubt hat ihm da schon keiner mehr.
Das verfehlt seinen Eindruck auf die Partei nicht. Zumal etliche sowieso bereits an Gabriel zweifelten. Sagen wir so: Bewegung ist ja gut, gerade für die Sozialdemokraten. Aber ab und zu muss der Vorsitzende dann doch auch für etwas stehen. Geschmeidigkeit ist keine Tugend. Es ist nicht einmal immer sehr politisch. Die Politik erfordert zwar schon eine gewisse Wendigkeit, aber Zickzack ist etwas ganz anderes. Und Zickzack steht selten für einen guten Kompass.
Das Drama um Griechenland endet in diesem Fall als Trauerspiel; hier ist aber vorerst nur die SPD gemeint. Denn ihr ist ein Kanzlerkandidat abhandengekommen. Isch over, frei nach Schäuble. Und was das Schlimmste ist: Alle haben es gesehen. Alle wissen es. Bestimmt auch Sigmar Gabriel selbst. Sein politischer Instinkt wird es ihm sagen.