Syrien-Krieg: Tod russischer Söldner konfrontiert die Weltmächte
Bis zu 200 Söldner aus Russland sollen in Syrien bei amerikanischen Luftangriffen umgekommen sein. Moskau und Washington gehen damit betont zurückhaltend um.
Der Syrien-Konflikt wird noch komplizierter – und blutiger: Bei amerikanischen Luftangriffen in der Provinz Deir al-Zor vergangene Woche sollen bis zu 200 Söldner aus Russland umgekommen sein, die für die syrische Regierung kämpften. CIA-Chef Michael Pompeo bestätigte in Washington vor dem Senat, „ausländische Kräfte“ in Syrien setzten Söldner ein. In Russland teilten mehrere regierungsnahe Milizen mit, Mitglieder ihrer Gruppen seien bei den Kämpfen ums Leben gekommen. Damit hat es in Syrien erstmals Todesopfer bei Spannungen zwischen Amerikanern und Russen gegeben. Die Regierungen beider Länder bemühen sich jedoch, Auswirkungen auf ihre Beziehungen zu vermeiden.
Die amerikanisch-russische Konfrontation in Syrien ist die jüngste Entwicklung in einem fast siebenjährigen Krieg, der immer neue regionale Konflikte produziert: Im Nordwesten Syriens kämpfen türkische Truppen gegen die syrische Kurdenmiliz YPG, während im Südwesten des Landes die Spannungen zwischen Israel auf der einen und syrischen und iranischen Verbänden auf der anderen Seite eskalieren.
Der Angriff amerikanischer Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Drohnen in Deir al-Zor am 7. Februar stoppte einen Vormarsch von mehreren hundert regierungstreuen Kämpfern, die auf das Ostufer des Euphrat vorstießen und sich offenbar anschickten, Ölfelder und eine strategisch wichtige Raffinerie zu erobern. In Deir al-Zor sind amerikanische Militärausbilder stationiert, die nach US-Darstellung durch die Attacke in Gefahr waren.
Die US-Streitkräfte schlugen auch deshalb zu, weil der Euphrat nach einer Vereinbarung mit Russland aus dem vergangenen Jahr als Trennlinie zwischen den Einflusszonen von Moskau und Washington in Syrien fungiert: Westlich des Stroms haben Russen und syrische Regierungstruppen das Kommando, östlich die Amerikaner und die von Kurden beherrschte Rebellenallianz SDF.
Bei dem Vorstoß in Deir al-Zor, der vor den US-Luftangriffen ein Gebiet mehrere Kilometer östlich des Euphrat erreicht hatte, sollen mehrere hundert Söldner aus Russland eingesetzt worden sein. Russische Kosaken-Verbände, die nicht-staatliche Kämpfer in Syrien stellen, bestätigten schwere Verluste. Zumindest einige der getöteten Söldner sollen für das Unternehmen Wagner gearbeitet haben, eine russische Privatarmee, die mit der US-Firma Academi – besser bekannt unter dem früheren Namen Blackwater – verglichen wird.
Russland hat mit Söldnern Erfahrungen aus Einsätzen in der Ukraine
Schon im Konflikt in der Ukraine hatte Russland mit inoffiziellen Militäreinheiten operiert, deren Einsatz für den Kreml auch in Syrien mehrere große Vorteil hat: Mit Hilfe der Söldner kann Moskau trotz des bereits verkündeten Truppenabzuges in dem Bürgerkriegsland militärisch präsent bleiben. Zudem kann sich die russische Regierung bei Bedarf leicht von den Söldner-Gruppen distanzieren. Das scheint auch jetzt zu geschehen. Moskau teilte mit, es gebe keine Erkenntnisse über Gruppen außerhalb der regulären russischen Einheiten in Syrien.
Über die Zahl der Todesopfer bei den US-Luftangriffen gibt es deshalb keine genaue Angaben. Laut Mitteilungen russischer Milizen gab es mindestens vier Tote. Ein russischer Geschäftsmann in Syrien sagte der „New York Times“, mehr als 200 Kämpfer, mehrheitlich Russen, seien ums Leben gekommen. Mehrere Schwerverletzte sollen in russische Krankenhäuser gebracht worden sein. US-Regierungsvertreter sprachen nach dem Angriff von hundert Toten. Möglicherweise wurden die Söldner nicht von Moskau bezahlt, sondern vom syrischen Staatschef Baschar al Assad. Laut russischen Medienberichten haben Assad oder seine Verbündeten die Privat-Krieger angeheuert, um syrische Energie-Anlagen zu schützen.
Bisher galt das Gefecht in Deir al-Zor vor allem als Ausdruck wachsender Interessenkonflikte internationaler Mächte, die in den vergangenen Jahren gemeinsam gegen den Islamischen Staat (IS) kämpften, nach dem militärischen Sieg über die Dschihadisten nun aber eigene Ziele verfolgen. Die Ölvorräte in der Gegend um Deir al-Zor werden für den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes nach einem Ende des Krieges wichtig sein – die USA wollen das Gebiet unter Kontrolle behalten, um sich eine Mitsprache zu sichern.
Russland verurteilte zwar die amerikanischen Luftangriffe am Euphrat, will aber keine größere Affäre daraus machen. Bei einem Telefonat der Präsidenten Wladimir Putin und Donald Trump vor einigen Tagen wurde das Thema Syrien laut dem Kreml nicht einmal erwähnt. Vitaly Naumkin, ein russischer Regierungsberater im Syrien-Konflikt, erläuterte gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg, warum sich Moskau so zurückhält: Niemand wolle wegen ein paar Söldnern „einen Weltkrieg lostreten“.
Thomas Seibert