„Wir zahlen mit dem Blut unserer Bürger“: Timoschenko nennt EU-Beitrittswunsch als Grund für Aggression
Die frühere ukrainische Ministerpräsidentin glaubt, dass Russland einen EU-Beitritt verhindern will. Der Prozess dürfe nicht unnötig verlängert werden.
Die frühere ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko sieht im dem Wunsch ihres Landes nach einem EU-Beitritt den Grund für den russischen Angriffskrieg. „Wir sind das einzige Land, das heute mit dem Leben seiner Bürger und mit seinem Blut für den Wunsch bezahlt, in die europäische Heimat zurückzukehren“, sagte sie der „Augsburger Allgemeinen“ am Freitag. „Es handelt sich ja nicht um ein neues Ziel der Ukrainer. Sie bekunden schon lange klar ihren Willen, wieder Teil Europas zu werden. Das ist der Grund, warum Putin den Krieg begonnen hat.“
[Alle aktuellen Nachrichten zum russischen Angriff auf die Ukraine bekommen Sie mit der Tagesspiegel-App live auf ihr Handy. Hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen.]
Timoschenko war zweimal Regierungschefin der Ukraine. Bekannt wurde sie 2004 international - damals noch mit geflochtenem Haarkranz - als Gesicht der prowestlichen Orangenen Revolution. Timoschenko saß auch bereits zweimal im Gefängnis. Die Politikerin trat 2019 zum dritten Mal bei der Präsidentenwahl in der Ukraine an, unterlag aber bereits im ersten Wahlgang.
Sie wisse um die Probleme in ihrem Land. „Ich akzeptiere, dass wir die Korruption bekämpfen müssen, aber ich protestiere, wenn sie als Vorwand angeführt wird, um dem Kandidatenstatus kein grünes Licht zu geben“, sagte die 61-Jährige.
Mehr zum Ukraine-Krieg auf Tagesspiegel Plus:
- Zögern, wegschauen, langsam lernen: Drei Muster deutscher Debatten über den Ukrainekrieg
- Schauen Sie in den Spiegel! Was der Nato-Beitritt Finnland konkret bringt
- Gefahr eines Atomkriegs: Wie der Westen auf Russlands nukleare Drohungen reagiert
- In zwei Tagen an die Front: Was trotz Geheimhaltung über die Waffenhilfe des Westens bekannt ist
- Unklarheit über Putins Ukrainepläne: Überforderter Gangster, Gelegenheitsdieb oder Meisterganove?
Die Schaffung einer neuen politischen Gemeinschaft, in der die Ukraine einen Platz finden könne, lehnte Timoschenko in dem Zeitungsinterview ab: „Wir wollen keinen Ersatz. Wir wollen nicht, dass für die Ukraine ein spezielles europäisches Getto geschaffen wird“, sagte sie.
„Der Moment ist gekommen, sich dem Kreml und dessen Erpressung entgegenzustellen. Das ist eine Wahl zwischen den Werten und dem Preis, den man bereit ist, zu bezahlen“, sagte Timoschenko. „Es ist an der Zeit zu beweisen, dass das ganze Gerede über Werte wahrhaftig ist.“ (dpa)