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Der ukrainische Präsident Selenskyj erhielt in Kiew von EU-Kommissionschefin von der Leyen einen Fragebogen zum Beitritt.
© Adam Schreck/dpa

EU-Beitritt der Ukraine: Kiews Antwortschreiben ist ein erster Schritt auf einem langen Weg

Die ukrainische Regierung hat einen ersten Fragenkatalog zu ihrem Beitrittsantrag beantwortet. Es gibt in der EU aber Widerstände gegen ein Express-Verfahren.

Unter dem Eindruck der russischen Offensive im Osten des Landes nimmt der EU-Beitrittsprozess der Ukraine inzwischen konkrete Formen an. Bis zu einer möglichen EU-Mitgliedschaft der Ukraine dürften noch etliche Jahre vergehen, aber der Anfang ist gemacht. Wie EU-Kommissionssprecher Eric Mamer am Dienstag bestätigte, hat die ukrainische Regierung den ersten Teil eines Fragebogens zu wirtschaftlichen und politischen Themen  für den Antrag auf EU-Mitgliedschaft beantwortet.

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Nun warte man noch auf die Antworten zum zweiten Teil des Fragebogens, in dem es um die  Übernahme des EU-Rechts durch die Ukraine geht, sagte Mamer weiter. Anschließend will die Kommission eine Bewertung des Aufnahmeantrags vornehmen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte unmittelbar nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges die Aufnahme in die EU beantragt. Anschließend hatte Kommissionschefin Ursula von der Leyen Anfang der Monats bei einem Besuch in Kiew  den Fragenkatalog überreicht und eine beschleunigte Entscheidung über die Aufnahme zugesagt. Nach den Worten des stellvertretenden Leiters des Büros von Selenskyj, Ihor Zhovkva, setzt die Ukraine nun darauf, dass ihr bei einem EU-Gipfel Ende Juni der Kandidatenstatus verliehen wird – der Vorbedingung für die eigentlichen Beitrittsgespräche.

Staatengruppe um Niederlande: Westbalkan-Länder nicht düpieren

Allerdings gibt es unter den 27 EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche Auffassungen darüber, wie schnell der Beitrittsprozess der Ukraine tatsächlich vorangetrieben werden kann.

Während einige Länder wie Polen und die baltischen Staaten ein beschleunigtes Verfahren befürworten, pocht eine Staatengruppe um die Niederlande auf einen ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens. Zu dieser Gruppe gehören außerdem Deutschland, Belgien, Italien, Frankreich, die skandinavischen Staaten und Spanien.

Nach den Angaben von EU-Diplomaten vertreten diese Länder die Ansicht, dass es keinen Express-Beitritt für die Ukraine geben könne. Ansonsten würden die Staaten des westlichen Balkans düpiert, die ebenfalls über eine Beitrittsperspektive verfügen. Als wesentliche Hürde für einen EU-Beitritt der Ukraine gilt  die in dem Land weit verbreitete Korruption.

Die pro-europäischen Proteste auf dem Maidan von 2013 hatten ihren Ursprung im Stopp der EU-Assoziierung.
Die pro-europäischen Proteste auf dem Maidan von 2013 hatten ihren Ursprung im Stopp der EU-Assoziierung.
© Alexander Demianchuk/REUTERS

Die Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine spielen eine Schlüsselrolle für die jüngere Geschichte des Landes. Im Jahr 2013 setzte der damalige pro-russische Präsident Viktor Janukowytsch ein EU-Ukraine-Assoziierungsabkommen aus. Das führte zu den pro-europäischen Protesten auf dem Kiewer Maidan und im folgenden Jahr zum Sturz Janukowytschs.

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Russlands Präsident Wladimir Putin reagierte mit der Annexion der Krim, anschließend übernahmen Separatisten Gebiete im Donbass. Dennoch kam das zuvor von Janukowytsch  gekippte Assoziierungsabkommen zwischen Brüssel und Kiew zu Stande.

Experte Lang: Russland sieht EU schon lange als Eindringling

„Seit langem nimmt Russland nicht nur die Nato, sondern auch die EU als Rivalen und sogar als Eindringling wahr“, sagt der EU-Experte Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Dass die Verleihung des EU-Kandidatenstatus an die Ukraine Russlands Kriegsführung noch einmal wesentlich befeuern würde, bezweifelt er.

Mit Blick auf den Zeitrahmen bis zur Erlangung einer ukrainischen EU-Vollmitgliedschaft sagt Lang: „Wenn man optimistisch ist, kann man eine Dekade ansetzen.“

Ein Abschluss der Beitrittsverhandlungen und eine anschließende Aufnahme Kiews in die Gemeinschaft innerhalb von rund zehn Jahren sei allerdings nur unter zwei Bedingungen möglich, so Lang: Einerseits dürfe es dann keine externe Destabilisierung des osteuropäischen Landes mehr geben, und zum anderen brauche es einen Konsens in der Gemeinschaft. Nach seiner Einschätzung spreche dabei die Tatsache für die Ukraine, dass immer weniger EU-Länder die Ansicht verträten, man dürfe Russland nicht provozieren.

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