US-Grenze: Tijuana - Endstation Hoffnung
In der mexikanischen Grenzstadt Tijuana spielen sich chaotische Szenen ab. US-Grenzschützer setzen Tränengas gegen Migranten ein, darunter Frauen und Kinder.
Das kleine Mädchen klammert sich an die Hand seiner Mutter, das Gesicht schreckverzerrt, die Augen verheult zusammengekniffen. Darunter die Frage: Macht das Amerika großartig? Andere fragen: Sehen so die Menschen aus, vor denen wir Angst haben sollen? In den sozialen Netzwerken ist die Empörung groß, nachdem die amerikanischen Sicherheitskräfte mit Tränengas mehrere Hundert Migranten aus Mittelamerika davon abgehalten haben, die Grenze zu stürmen. Tränengas gegen Familien mit kleinen Kindern, aber auch frustrierte junge Männer, die Steine auf Grenzbeamte werden: Diese Bilder erinnern an Szenen aus dem Gazastreifen oder anderen gefährlichen Konfliktzonen.
Die Situation in der mexikanischen Grenzstadt Tijuana wird immer chaotischer. Nach dem Versuch der Migrantengruppe, im Anschluss an eine zunächst friedliche Demonstration einfach die Grenze zu überrennen, schlossen die US-Behörden am Sonntag vorübergehend die Grenzübergänge zwischen Tijuana und der südkalifornischen Metropole San Diego. Das mexikanische Innenministerium kündigte an, die an den Unruhen Beteiligten abzuschieben. Die Migranten, deren Identität festgestellt werden könne, müssten umgehend Mexiko verlassen. Genau diese Forderung erhob auch US-Präsident Donald Trump am Montag. Mexiko müsse die Migranten, unter denen viele „eiskalte Verbrecher“ seien, in ihre Heimatländer zurückschicken, schrieb er auf Twitter. „Macht es mit dem Flugzeug, macht es mit dem Bus, macht es, wie ihr wollt, aber sie kommen NICHT in die USA.“ Falls nötig werde die US-Regierung die Grenze dauerhaft schließen, drohte er einmal mehr – eine Eskalation, die Mexiko unbedingt vermeiden will. Trump rief den US-Kongress dazu auf, endlich das Geld für eine Mauer an der Südgrenze der USA freizugeben.
Mehr als 7000 Migranten sind bereits in Tijuana angekommen
Nach Angaben der mexikanischen Behörden sind inzwischen mehr als 7000 Migranten aus Mittelamerika in Tijuana und der rund 80 Kilometer entfernten Stadt Mexicali angekommen. Wochenlang waren sie – zumeist in Honduras, El Salvador und Guatemala gestartet – in Richtung US-Grenze unterwegs, um der Armut und der Gewalt in ihrer Heimat zu entkommen. Sie hoffen auf politisches Asyl in den USA. Tausende weitere Migranten sind noch auf dem Weg.
Mit dem Andrang der Flüchtlinge kippt auch die Stimmung in Tijuana. Immer mehr Anwohner sind wütend über die Hilfesuchenden, die ihre Geschäfte mit dem Nachbarland erschweren und ihrer Ansicht nach die ganze Region in ein negatives Licht rücken. Rassistische Beleidigungen nehmen zu. Tijuanas Bürgermeister Juan Manuel Gastelum sagte, seine Stadt sei überfordert mit dem Ansturm der Migranten. Möglicherweise müssten die Migranten mehr als ein halbes Jahr in Tijuana ausharren, bis ihr Asylantrag vom US-Grenzschutz bearbeitet werde. Die Stadt hat inzwischen den „humanitären Notstand“ ausgerufen und angekündigt, die Kosten für die Versorgung der Migranten nicht tragen zu können.
Unklarheit über neue Asylregelung
Inwieweit sich die USA und Mexiko tatsächlich bereits auf eine neue Asylregelung verständigt haben, die die Verfahren beschleunigen soll, war am Montag unklar. Die künftige mexikanische Regierung unter Präsident Andres Manuel Lopez Obrador wies die Darstellung der „Washington Post“ zurück, dass es bereits eine Übereinkunft gebe, wonach Mexiko Asylbewerber solange beherbergen werde, bis ihre Fälle von US-Gerichten geprüft worden seien. Die Regierung wird erst am 1. Dezember vereidigt, daher kann es auch nur informelle Gespräche gegeben haben.
Unter den Migranten wächst die Ungeduld über die schier aussichtslose Situation. Die Auffanglager sind überfüllt, viele schlafen in Zelten oder auf der Straße. Was immer sie sich von ihrem Marsch versprochen haben: Für die meisten endet die Reise genau hier.