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Die Sicherheitskräfte in Pakistan sehen sich einer neuen Dimension des Terror gegenüber.
© AFP

Weltweite Angst vor IS-Rückkehrern: Tickende Zeitbomben

Veteranen des „Islamischen Staats“ gelten als potenzielle Attentäter. Für manchen Staat könnten sie sogar zu einem existenziellen Problem werden.

Sie sind gefürchtet und stehen nach ihrer Rückkehr unter Beobachtung: Terror-Touristen aus Europa, die für den „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien oder dem Irak in den Krieg ziehen. Bis zu 180 IS-Kämpfer aus Deutschland sollen inzwischen wieder zurückgekehrt sein. Sie werden als potenzielle Terror-Attentäter eingestuft. Eine existenzielle Bedrohung stellen sie aber weder für Deutschland, Frankreich oder andere europäische Länder dar. Aber gilt das auf Dauer auch für Staaten wie Bosnien oder das Kosovo? Männer und Frauen aus diesen Ländern kämpfen ebenfalls für den IS. Insgesamt soll es rund 10 000 ausländische IS-Söldner geben.

IS auf dem Vormarsch in Libyen

Außerhalb Europas gewinnen IS-Veteranen schon jetzt gefährlich an Einfluss. Besonders kritisch ist die Lage in Libyen. In der libyschen Stadt Darna regiert seit einigen Monaten ein IS-Kämpfer als Emir – mit ähnlich archaischen Methoden wie seine Vorbilder in Syrien und dem Irak. Das frühere Reich von Muammar al Gaddafi ist nach dessen Sturz in einen blutigen Bürgerkrieg geschlittert, in dem mehrere Milizen gegeneinander kämpfen. Den IS-Abgesandten gelingt es offenbar, dieses Machtvakuum auszunutzen. Erste Milizen haben sich ihnen nun angeschlossen. Für Experten steht fest: Libyen wird der nächste IS-Hotspot.

Staatszerfall mit regionalen Auswirkungen

Der Zerfall Libyens hat weitreichende Folgen. Gaddafis Waffen überschwemmen die gesamte Region, die libysche Wüste ist zudem zum Rückzugsort für Terroristen und Rebellen geworden. Nicht zuletzt in Mali, einem Einsatzland der Bundeswehr, hat sich die Sicherheitslage wieder deutlich verschlechtert. 144 Bundeswehrsoldaten sind derzeit in Mali stationiert, um die malische Armee fit zu machen für den Kampf gegen Islamisten und Touareg-Rebellen. Vor zwei Jahren standen die bereits vor der Hauptstadt Bamako. Eine Intervention französischer und afrikanischer Kampftruppen verhinderte, dass das Land ganz an sie fiel. Die Rebellen, die teilweise mit Al Qaida verbündet sind, wurden damals zurückgeschlagen. Seit einigen Monaten sind sie aber wieder auf dem Vormarsch. Das könnte auch für die Bundeswehr gefährlich werden.

Wie reagiert Al Qaida in Nordafrika?

Unklar ist derzeit, wie sich der in der Sahelzone fest verankerte Al-Qaida-Ableger „Al Qaida im islamischen Maghreb“ (Aqim) zur Ausbreitung von IS in seinem Einflussbereich verhält. IS und Al Qaida haben zwar die gleiche ideologische Basis, sie konkurrieren aber um die militante Vorherrschaft.

Werbung für den IS

Deutlich wird dies besonders in Pakistan, einer Hochburg der eigentlich mit Al Qaida verbündeten Taliban. Dennoch versucht IS auch hier, ebenso wie im benachbarten Afghanistan, Fuß zu fassen. Dazu haben die Islamisten eine regelrechte Werbekampagne gestartet. In Pakistan sind nun erste Talibangruppen zum „Islamischen Staat“ übergelaufen. Viele pakistanische Islamisten kämpfen außerdem in führenden Positionen in den Reihen des IS im Nahen Osten. Da sie über Kampferfahrung aus Pakistan und Afghanistan verfügen, sind sie für den IS besonders wertvoll. Ein Taliban-Sprecher sagte Ende vergangenen Jahres, 1000 bis 1500 Kämpfer seien nach Syrien und in den Irak gereist. Diejenigen, die überleben und zurückkehren, sind eine große Gefahr für das ohnehin vom Terror schwer getroffene Land.

Neue Terrordimension im Atomstaat Pakistan

Der jüngste Anschlag pakistanischer Taliban auf eine Militärschule in Peschawar mit 141 Toten könnte bereits ein Vorbote einer neuen Terror-Dimension in Pakistan gewesen sein. Das Massaker an Schülern und Lehrern war dermaßen bestialisch, dass sogar die afghanischen Taliban nicht zögerten, sich davon zu distanzieren. Ob hier bereits die Handschrift des für seine grenzenlose Brutalität berüchtigten IS zu erkennen war, oder ob Al-Qaida-treue Kräfte zeigen wollten, dass sie mit ihren Konkurrenten aus dem Nahen Osten mithalten können, ist allerdings unklar. Für den Atomstaat Pakistan ist die Entwicklung so oder so höchst brisant.

Ein Tschetschene in Syrien

Schlagzeilen machte vor wenigen Monaten auch die mediale Wiederauferstehung von „Omar dem Tschetschenen“. Der bereits totgesagte IS-Kommandeur in Syrien, der tatsächlich aus Georgien stammt, im Kaukasus aber gegen Russland kämpfte, tauchte in einem Video plötzlich wieder auf. Omar kommandierte zunächst syrische Rebellen, schloss sich dann dem IS an. Sein erklärtes Ziel: Er will möglichst viele Kaukasier für den IS anwerben und den Dschihad später nach Russland tragen. Seit dem Ende der Tschetschenienkriege und der Installierung des russlandtreuen Ramsan Kadyrow als Staatsoberhaupt in der Kaukasusrepublik Tschetschenien sind ehemalige tschetschenische Rebellen in alle Welt zerstreut. Auch die beiden Boston-Attentäter waren Tschetschenen. Allein aus Österreich, wo es eine große tschetschenische Exilgemeinde gibt, sollen schon rund 80 Tschetschenen in die Kampfgebiete im Nahen Osten ausgereist sein.

Häuserkampf in Grosny

Parallel hat sich die Sicherheitslage in Grosny in den vergangenen Monaten verschärft. Anfang Dezember fiel eine islamistische Gruppe in der tschetschenischen Hauptstadt ein. Die Kämpfer lieferten sich schwere Gefechte mit den Sicherheitskräften und verschanzten sich im Haus der Presse, das unter dem Beschuss der Armee teilweise ausbrannte. Die Rauchwolken über der Stadt und die zurückgebliebene Ruine weckten unweigerlich Erinnerungen an die Zeit der Tschetschenienkriege. Der Name der Islamisten-Gruppe lautet „Kaukasus Kalifat“

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