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Theresa May nimmt Abschied von der Macht.
© Daniel Leal-Olivas, AFP

Abschied vom ,Common Sense’: Theresa May geht und die Torys radikalisieren sich weiter

Die britischen Konservativen waren lange das Rückgrat der britischen Politik. Inzwischen dominieren die Extremisten und radikalen Brexiteers die Partei.

Mit ihrem Rücktritt als Vorsitzende der Konservativen Partei Großbritanniens hat Theresa May am Freitag auch offiziell den Abschied von der Macht eingeleitet. Im politischen System der Insel muss Parteichef werden, wer der 62-Jährigen auch im Amt als Premierministerin nachfolgen will. Elf Männer und Frauen wollen nach bisherigem Stand den Posten ergattern. Doch wer Mitte Juli in der Downing Street einzieht, erbt nicht nur die Codes für die britischen Atomraketen, das ultimative Symbol der Macht. Der Nachfolgerin oder dem Nachfolger fällt auch ein vergiftetes, schier unlösbares Problem in den Schoß: Großbritanniens unvollendeter Austritt aus der EU.

Am Brexit ist May gescheitert, und die zentrale Fragestellung britischer Politik überschattet unweigerlich auch die Amtszeit der oder des nächsten Tory-Vorsitzenden. Viel unmittelbarer wird es dabei auch um die Frage gehen, ob er oder sie auch der letzte Premierminister der Torys sein wird. Bei der Kommunalwahl in England Anfang Mai handelten sich die Konservativen eine gewaltige Ohrfeige der Wähler ein, landeten bei 28 Prozent und verloren mehr als 1300 Stadt- und Gemeinderäte. Drei Wochen später verpassten die Wähler der Regierungspartei bei der Europawahl praktisch einen Knock-out: 9,2 Prozent der Stimmen stellten das niedrigste Ergebnis seit mehr als 150 Jahren dar.

Im Zwei-Parteiensystem der Insel verkörperten die Konservativen lange Zeit das schwer definierbare Konzept des common sense. Man billigte ihnen einen skeptischen Respekt vor Traditionen zu, gleichzeitig ein instinktives Verständnis der Realität und blitzschnelle Anpassungsfähigkeit. „Über die Torys wurde immer gesagt: Sie stellen die Regierung oder sie stellen gar nichts dar“, sagt Geoffrey Wheatcroft. „Regieren war ihre raison d’etre.“

Schon 2005 legte der Autor ein Buch mit dem Titel „The strange death of Tory England“ vor. Die dort beschriebenen Trends hat Wheatcroft erst kürzlich wieder aufgezählt. Hatten die Konservativen in vier Jahrzehnten bis 1992 bei acht von zwölf Unterhauswahlen die Mehrheit der Mandate geholt, gelang dies seither nur ein einziges Mal in sechs Anläufen. 2017 holte Theresa May zwar den genau gleichen Stimmenanteil (42,4 Prozent) wie die konservative Übermutter Thatcher 1983. Doch während die Eiserne Lady einen Erdrutschsieg über eine zerstrittene Opposition feiern konnte, verlor die unglückselige Noch-Amtsinhaberin ihre knappe Mandatsmehrheit.

Langfristige Probleme

Und die vom Brexit überschattete Ausnahme-Wahl bestätigte langfristige Probleme. Den Torys laufen die Frauen davon. Die Jungwähler orientieren sich an der Labour-Opposition unter Jeremy Corbyn, wählen Liberaldemokraten oder Grüne. Das Durchschnittsalter der Tory-Wähler beträgt einer Studie der Londoner Queen-Mary-Universität 57 Jahre, sie sind reicher als der Durchschnitt der Bevölkerung und fast ausschließlich weiß. Vor allem aber: Ihre Gegnerschaft zur EU ist viel radikaler als in der Parlamentsfraktion, geschweige denn in der Bevölkerung. Die neuen Torys dürften den Trend verstärken, jedenfalls berichteten eine Reihe von Abgeordneten übereinstimmend von Masseneintritten durch frühere Mitglieder der EU-feindlichen Ukip-Partei.

Dieses Phänomen ebenso wie die Nachwahl von Peterborough am Donnerstag, bei der die Partei hinter Labour und Nigel Farages Brexit-Party nur Platz drei belegte, verstärkt den Druck auf Mays Nachfolge-Kandidaten, dem chaotischen Brexit ohne Austrittsvereinbarung („No Deal“) das Wort zu reden. Doch was dann? „Über Nacht würden wir unsere in 300 Jahren erworbenen Ruf für wirtschaftliche Kompetenz für immer ruinieren“, fürchtet Rory Stewart, der als einziger der Kandidaten für einen Kompromiss-Brexit eintritt. Beim Parteivolk hat er mit solcherlei traditionellem Konservatismus keine Chance.

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