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Jaber Albakr wurde am Mittwoch tot in der JVA Leipzig gefunden.
© Jan Woitas/dpa
Update

Suizid in JVA Leipzig: Terrorverdächtiger Albakr tot in Zelle aufgefunden

Der Terrorverdächtige Jaber Albakr hat Selbstmord begangen. Er soll sich in seiner Zelle erhängt haben. Die JVA habe vom dem Suizid-Risiko gewusst, sagt sein Anwalt.

Der unter Terrorverdacht festgenommene Syrer Jaber Albakr ist tot. Wie Sicherheitskreise dem Tagesspiegel bestätigten, hat sich der 22-Jährige am Mittwoch gegen 20 Uhr in seiner Zelle in der JVA Leipzig selbst getötet. Laut dpa hat sich Albakr erhängt. Der MDR berichtete am Donnertagmorgen unter Berufung auf Augenzeugen, dass sich Albakr in seiner Zelle mit seinem T-Shirt stranguliert habe. Laut "Spiegel Online“ soll sich Albakr im Hungerstreik befunden haben.

Das Justizministerium in Dresden bestätigte den Tod und erklärte, Albakr habe sich am Abend das Leben genommen. Politiker reagierten fassungslos und forderten Erklärungen. Der Pflichtverteidiger Albakrs, der Dresdner Rechtsanwalt Alexander Hübner, sagte „Focus-Online“, der Justizvollzugsanstalt Leipzig sei das Suizid-Risiko des Mannes bekannt gewesen. Albakr habe in der Zelle zuvor bereits Lampen zerschlagen und an Steckdosen manipuliert. Hübner hatte demnach noch nachmittags mit dem JVA-Leiter telefoniert. Dieser habe ihm versichert, dass Albakr ständig beobachtet werde. Laut WDR wies Hübner jedoch die Darstellung zurück, er habe von einem "Justizskandal" gesprochen, wie "Focus Online" berichtet hatte.

Im Deutschlandfunk sagte Hübner am Morgen, die "Überwachung war offensichtlich nicht ausreichend." Die Umstände, dabei nannte Hübner explizit den Hungerstreik und die Verweigerung der Flüssigkeitsaufnahme, seien besorgniserregend gewesen und hätten klar darauf hingedeutet, dass sich Albakr selbst schaden wollte. "Ich bin davon ausgegangen, dass er ständig überwacht wird", so Hübner, das sei in solch einem Fall eine Selbstverständlichkeit. Im MDR äußerte sich Hübner fassungslos, "da ich davon ausgegangen bin, dass mein Mandant, zumindest zurzeit, als einer der bestbewachten Gefangenen in Deutschland gelten kann".

Am 20. September hatte sich Sachsens Innenminister zu Suizidversuchen in Justizvollzugsanstalten geäußert. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Landtagsabgeordneten Juliane Nagel hieß es unter anderem: "Für den sächsischen Justizvollzug wurde ein umfangreiches Konzept zur Suizidprävention erarbeitet. Bei festgestellter akuter Suizidgefahr darf der Gefangene zu keiner Zeit alleine sein. In besonderen Notfällen erfolgt eine ständige und unmittelbare Beaufsichtigung des Gefangenen durch Bedienstete."

Politiker reagierten fassungslos auf die Todesnachricht. Der Fraktionschef der Linken im sächsischen Landtag, Rico Gebhardt, sagte dem Tagesspiegel: "Es ist fast nicht vorstellbar, dass jemand, der als suizidgefährdet galt, sich in seiner Zelle erhängt. Das wird ein parlamentarisches Nachspiel haben." Der SPD-Verteidigungsexperte Johannes Kahrs schrieb: „Was ist denn schon wieder in Sachsen los? Irre.“ Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen kommentierte, er sei „sprachlos“. „Was ist da los?!“, fragte auch Familienministerin Manuela Schwesig (SPD). „Wie konnte das geschehen?“, fragte der Grünen-Politiker Volker Beck auf Twitter.

Der Grünen-Haushaltspolitiker Tobias Lindner schrieb auf Twitter: „Wie kann jemand, der angeblich unter ständiger Beobachtung stehen soll, erhängt aufgefunden werden?“ Er sei fassungslos. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Steffi Lemke, pochte auf eine zügige Aufklärung der sächsischen Justiz. „Ich erwarte, dass es morgen bessere Erklärungen zum Tod von Albakr gibt als das Abtauchen aller Zuständigen heute“, schrieb Lemke am späten Mittwochabend bei Twitter.

Der Syrer, der laut Verfassungsschutz einen Sprengstoffanschlag auf einen Berliner Flughafen vorbereitet haben soll, war nach einem am Samstag in Chemnitz gescheiterten Zugriff der sächsischen Polizei am Montag in Leipzig festgenommen worden. Zuvor hatten ihn Landsleute, bei denen er Unterschlupf gefunden hatte, als den zur Fahndung ausgeschriebenen Terrorverdächtigen erkannt, überwältigt und der Polizei übergeben worden war.

Albakr beschuldigte drei Syrer der Mitwisserschaft

Wie ebenfalls am Mittwoch bekannt wurde, beschuldigte Albakr die drei Syrer, die ihn überwältigt hatten, der Mitwisserschaft. Entsprechende Aussagen habe der 22-Jährige bei seiner Vernehmung gemacht, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch aus Ermittlerkreisen. Zunächst blieb unklar, ob die Ermittler die Aussage Albakrs für glaubhaft halten oder ob es sich um eine Schutzbehauptung handeln könnte. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die die Ermittlungen führt, wollte die Berichte nicht bestätigen, dass Albakr seine Landsleute als Mitwisser bezichtigt habe. Auch die Frage, ob die drei Syrer, die ihn überwältigt hatten, noch als Zeugen oder Verdächtige in dem Ermittlungsverfahren behandelt würden, blieb in Karlsruhe unbeantwortet. Den Angaben zufolge gab es aber keine weiteren Festnahmen.

Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes hätte Albakr innerhalb weniger Tage eine Bombe in Deutschland zünden können. Behördenpräsident Hans-Georg Maaßen sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, seine Behörde habe den Eindruck gewonnen, „dass der Verdächtige schon in dieser Woche einen Anschlag verüben könnte“. Deswegen sei der Zugriff der Polizei auf den 22-Jährigen am Wochenende erfolgt.

Albakr war Anfang 2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Nach Recherchen des MDR war er zwischenzeitlich wieder in Syrien. Das habe seine Familie mitgeteilt, berichtete das Magazin „Exakt“. Dem MDR zufolge reiste Albakr im Herbst vergangenen Jahres zwei Mal in die Türkei und hielt sich auch einige Zeit in der syrischen Stadt Idlib auf. Mitbewohner aus dem nordsächsischen Eilenburg hätten ebenfalls von seinem Aufenthalt in Idlib berichtet.

2015 von den Sicherheitsbehörden überprüft

Laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wurde Albakr 2015 von den Sicherheitsbehörden überprüft. „Allerdings ohne Treffer. Es steht ja auch noch gar nicht fest, wann es dort zu einer Radikalisierung gekommen ist“, sagte er am Mittwoch in Berlin.

Mit Blick auf Forderungen nach mehr Kompetenzen für die Geheimdienste bei der Überprüfung von Flüchtlingen verwies de Maizière darauf, dass es bereits entsprechende Möglichkeiten gebe, an deren Umsetzung „mit Hochdruck gearbeitet“ werde. Zugleich sprach er den Syrern Lob und Anerkennung aus, die Albakr in Leipzig festgesetzt hatten.

Unterdessen wurden Forderungen laut, die Syrer mit dem Bundesverdienstkreuz auszuzeichnen. Sie hätten das verdient, sagte der SPD-Verteidigungsexperte Johannes Kahrs der „Bild“-Zeitung. Auch der CDU-Außenpolitiker Jürgen Klimke sprach sich dafür aus. (mit dpa)

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