Iran: Teherans Führung reagiert nervös auf Proteste
Die Demonstrationen im Norden des Iran richteten sich gegen höhere Preise. Doch auch der Rücktritt von Präsident Ruhani wurde gefordert.
In zahlreichen Städten im Nordosten Irans haben am Donnerstag tausende Menschen bei den größten Protestaktionen seit mehreren Jahren gegen steigende Lebensmittelpreise, Korruption und Arbeitslosigkeit demonstriert. Während der Aktionen in Maschad, der zweitgrößten Stadt des Landes, wurde auch der Rücktritt von Staatspräsident Hassan Ruhani gefordert. Auf Videos, die die Opposition auf YouTube verbreitete, ist zu sehen, dass die Sicherheitskräfte massiv Wasserwerfer und Tränengas einsetzten, um die Menge auseinanderzutreiben. Die staatliche Nachrichtenagentur Irna vermeldete, „konterrevolutionäre Elemente“ seien über die sozialen Netzwerke aufgehetzt worden.
Bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten gab es offensichtlich auch Verletzte. 52 Demonstranten seien festgenommen worden, wurde offiziell vermeldet. Der Gouverneur der Nordostprovinz Chorassan Rasawi, Mohamed-Rahim Norusian, bezeichnete die Proteste als illegal. Die Polizei habe aber mit „Toleranz und Geduld“ reagiert. Festgenommen worden seien nur diejenigen, die materielle Schäden anrichten wollten.
Geistliche Führung fordert hartes Vorgehen
Die religiöse Führung reagierte jedoch außerordentlich nervös: Ayatollah Ahmad Alamolhoda, der höchste Geistliche der Region, forderte ein hartes Durchgreifen der Sicherheitskräfte. Andernfalls könnten „die Feinde“ Filme und Bilder benutzen, um den Eindruck entstehen zu lassen, „die Islamische Republik habe ihre revolutionäre Basis in Maschad verloren“, zitierte Irna den Geistlichen. Die Stadt gilt als eine der sieben heiligen Stätten des schiitischen Islam.
Zu sozialen Protesten – beispielsweise bei ausbleibenden Lohnzahlungen oder gegen den Wertverlust der Sparkonten durch die Inflation – kommt es in Iran immer wieder. Das Regime in Teheran hat bisher Versprechungen nicht einlösen können, die Präsident Ruhani nach dem Abschluss des Wiener Atomabkommens von 2015 gemacht hatte. Das Staatsoberhaupt hatte damals angekündigt, mit der Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen Iran werde es einen wirtschaftlichen Aufschwung geben, der allen zugute komme. Dieser Aufschwung lässt aber auf sich warten, auch weil die Machthaber in Teheran notwendige Reformen scheuen und die Korruption weiter grassiert. Die Arbeitslosenquote beispielsweise stieg im vergangenen Jahr an, sie liegt jetzt bei 12,4 Prozent. Rund 3,2 Millionen Iraner sind ohne Job, bei einer Gesamtbevölkerung von 80 Millionen Menschen – das ist eine der Ursachen für die zunehmende Unzufriedenheit in der Bevölkerung.
Im Konkurrenzkampf mit Saudi-Arabien
Die Videos von den jüngsten Demonstrationen zeigen jedoch nicht nur Plakate mit wirtschaftlichen, sondern auch mit politischen Forderungen wie den Sturz der Machthaber und nach einer neuen Außenpolitik. Mit Slogans wie „Nicht Gaza, nicht Syrien, nicht Libanon, wir opfern uns nur für den Iran“ und „Verlasst Syrien, denkt an uns“, forderten die Demonstranten mehr Aufmerksamkeit für ihr eigenes Land.
Die iranische Führung befindet sich in einem Konkurrenzkampf mit Saudi-Arabien um Macht und Einfluss in der Region. So unterstützt Teheran im syrischen Bürgerkrieg seit sechs Jahren massiv das Regime von Baschar al Assad. Mehr als 1000 iranische Kämpfer sollen in Syrien ums Leben gekommen sein. Die Kritik an diesem Kurs wird jedoch stärker. Die Regierung habe mit der Unterstützung der Palästinenser, Syriens und des Libanon die nationalen Interessen des eigenen Landes untergraben und das Leben der Menschen erschwert, kritisiert die Opposition.
Proteste von nationalem Ausmaß hatte es im Iran zuletzt im Juni 2009 nach den Präsidentenwahlen gegeben. Die Wahlkommission hatte dem damaligen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad einen Sieg mit fast zwei Dritteln aller Stimmen zugeschanzt. Die Opposition sprach jedoch von Wahlbetrug und mobilisierte wochenlang in zahlreichen Städten Tausende für Demonstrationen. Nach offiziellen Angaben gab es damals 36 Tote und mehrere tausend Verhaftete. mit dpa