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Weder vor noch zurück. Migranten harren am Montag an der belarussisch-polnischen Grenze aus.
© Leonid Shcheglov/AFP
Update

„Germany“-Rufe an der polnisch-belarussischen Grenze: Tausende Soldaten, Hunderte Migranten und dazwischen Stacheldraht

Belarus lässt Hunderte Flüchtlinge an die Grenze zu Polen bringen. Die Bundesregierung nennt Lukaschenkos Verhalten „menschenverachtend“.

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko setzt im Verhältnis zu seinen westlichen Nachbarn weiter auf Eskalation. Die Spannungen zwischen Belarus und Polen verschärften sich am Montag deutlich. Sicherheitskräfte des Regimes in Minsk brachten offenbar eine größere Gruppe Flüchtlinge zur polnischen Grenze, wo diese versuchten, den Stacheldraht zu überwinden.

Die Regierung in Warschau warf Belarus vor, eine „große Provokation“ vorzubereiten. „Belarus will einen bedeutenden Zwischenfall, Medienberichten zufolge mit Schüssen und Opfern“, sagte der polnische Außenstaatssekretär Piotr Wawrzyk dem staatlichen Radio.

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Die Flüchtlinge hätten eigentlich an einem Grenzübergang um die Einreise nach Polen bitten wollen, seien aber von belarussischen Sicherheitskräften von der Straße weg und in den Wald zur Grenze getrieben worden, wie der von belarussischen Oppositionellen betriebene Telegram-Kanal Nexta berichtete. Viele der Flüchtlinge seien Kurden aus dem Irak. Videos zeigen mehrere hundert Menschen auf belarussischer Seite in unmittelbarer Nähe des Grenzzauns. Auf einem der Videos ist zu sehen, wie Sicherheitskräfte tatenlos danebenstehen, während Flüchtlinge versuchen, den Stacheldraht durchzuschneiden.

Deutschland gilt als ein Hauptziel der Migranten. Auf dem Twitterkanal „Nexta“ war zu sehen, wie Migranten vor einem niedergerissenen Zaun stehen und „German“ oder „Germany“ rufen. Auf der anderen Seite stehen Grenzschützer mit Schutzschilden, über ihren Köpfen fliegt ein Hubschrauber.

Wegen des Andrangs wird Polen den Grenzübergang Kuznica nach Belarus schließen. Der Grenzverkehr werde am Dienstag von 7 Uhr an unterbrochen. Die polnischen Behörden gehen davon aus, dass Hunderte Menschen versuchen werden, die Grenze zu durchbrechen. Der polnische Regierungssprecher erklärte, gegenwärtig seien 3000 bis 4000 Menschen nahe der Grenze.

Polen mobilisierte am Montag weitere Truppen. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums sind bereits 12.000 Soldaten an der Grenze zu Belarus stationiert. Auch Litauen schickt zusätzliches Militär an seine Grenze. Die Nato warnte Belarus davor, Flüchtlinge gegen das Bündnis zu instrumentalisieren. Die Allianz stehe bereit, die Verbündeten zu unterstützen und für Sicherheit zu sorgen, sagte ein Sprecher des Militärbündnisses am Montag.

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Lukaschenkos Regime lässt seit Wochen Flüchtlinge nach Minsk fliegen, die dann versuchen, in die EU zu gelangen. Damit will der autoritär regierende Staatschef offenbar Druck auf die EU ausüben, die wegen der Unterdrückung der Demokratiebewegung Sanktionen gegen Belarus verhängt hatte.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes nannte Lukaschenkos Verhalten „perfide und menschenverachtend“. Es gebe Hinweise, dass das Regime in Minsk die Menschen trotz widriger Verhältnisse zum Teil mit Zwang zur Grenze schicke. Die Bundesregierung kündigte eine gemeinsame europäische Reaktion an.

EU berät über Verschärfung von Sanktionen

Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, dass Lukaschenko nicht nur Migranten zur Destabilisierung der EU instrumentalisiere, sondern weiterhin die eigene Bevölkerung unterdrücke. Unter den EU-Mitgliedstaaten werde angesichts der Schleusung der Migranten Richtung EU über eine Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Belarus diskutiert. Am kommenden Montag wollen sich die EU-Außenminister mit dem Thema beschäftigen. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, die Instrumentalisierung von Migranten für politische Zwecke durch Belarus sei inakzeptabel.

Eine Sprecherin der Brüsseler Behörde fügte hinzu, dass sich an der Haltung der Kommission, den Bau von Grenzzäunen finanziell nicht zu unterstützen, nichts geändert habe. Polen plant entlang der Grenze zu Belarus den Bau einer Barriere. Statt einer finanziellen Hilfe bietet die EU-Kommission der Regierung in Warschau seit Wochen an, die Unterstützung durch die EU-Grenzschutzagentur Frontex, die Asylbehörde Easo und die Polizeibehörde Europol in Anspruch zu nehmen. Doch dies lehnt die polnische Regierung im Gegensatz zu den ebenfalls betroffenen Ländern Lettland und Litauen ab.

Deutsche Innenbehörden: Zahl der Flüchtlinge könnte weiter steigen

Deutsche Innenbehörden gehen davon aus, dass die Zahl der Flüchtlinge noch weiter steigen könnte. Nach den Flugplänen könnten pro Woche etwa 40 Maschinen aus Damaskus, Bagdad und der Nahost-Region Minsk mit Flüchtlingen erreichen. Bei durchschnittlicher Passagierzahl wären das 6000 Personen pro Woche und 24.000 pro Monat.

Allein in der ersten Novemberwoche registrierte die Bundespolizei an der deutsch-polnischen Grenze 993 unerlaubte Einreisen über Belarus. Im laufenden Jahr seien damit 8833 Personen festgestellt worden, teilte das Präsidium der Bundespolizei in Potsdam am Montag mit. Eine Entspannung der Lage zeichne sich derzeit nicht ab.

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Für Migrant:innen, die im polnisch-belarussischen Grenzgebiet gestrandet sind, ist die Lage auch angesichts der zunehmend winterlichen Temperaturen verheerend. In der Grenzregion gab es bereits mehrere Todesfälle unter Flüchtlingen.

Seebrücke bringt Bus mit Hilfsgütern an polnisch-belarussische Grenze

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl verlangte die Aufnahme und Versorgung der von Belarus aus ankommenden Flüchtlinge in Polen. „Den Zugang zu Asyl zu wahren, Flüchtlinge aufzunehmen und ihre Versorgung sicherzustellen, darauf haben wir uns in internationalen Verträgen geeinigt, das ist unsere Antwort auf Diktatoren“, erklärte Pro-Asyl-Europareferent Karl Kopp am Montag. „Und daran müssen sich die EU und Polen jetzt halten.“

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Aktivisten aus Deutschland haben einen Bus mit Hilfsgütern in das Grenzgebiet geschickt. Der Bus der Initiativen Seebrücke Deutschland und LeaveNoOneBehind startete am Montag von Berlin aus. Er werde Hilfsgüter wie etwa warme Winterschuhe, Socken, Rettungsdecken und Stirnlampen nach Polen bringen, teilten die Organisatoren mit.

Ursprünglich hatten die Aktivisten geplant, auf dem Rückweg Migranten und Flüchtlinge aus Polen nach Deutschland zu bringen. Dies sei aber nur mit einer Aufnahmezusage des Bundesinnenministeriums möglich, teilte die Initiative Seebrücke mit. Eine entsprechende Anfrage sei am Donnerstag an das Ministerium gerichtet, aber bisher nicht beantwortet worden, so die Aktivisten.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums hatte der Deutschen Presse-Agentur am Freitag auf Anfrage mitgeteilt, dass „eine unautorisierte Beförderung und eine etwaige unerlaubte Einreise“ strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnten. Es gebe darüber hinaus keine Überlegungen für ein Aufnahmeprogramm für Menschen aus Belarus. (mit dpa)

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