Mord an russischem Oppositionellen: Tausende nehmen Abschied von Boris Nemzow
In Moskau wird der ermordete Kremlkritiker Boris Nemzow beigesetzt. Die Augenzeugin des Mordes, seine Lebensgefährtin Anna Durizkaja, durfte nach Kiew ausreisen. US-Präsident Obama prangert das Klima von Zwang und Bedrohung in Russland an.
Unter einem extremen Polizeiaufgebot haben Tausende Menschen in Moskau Abschied vom ermordeten russischen Oppositionellen Boris Nemzow genommen. Mit roten Rosen in den Händen zogen am Dienstagvormittag Freunde und Weggefährten am offenen Sarg des 55 Jahre alten Kremlkritikers vorbei, der in den Räumen des Sacharow-Zentrums aufgebahrt war. Vor dem Gebäude der Menschenrechtsorganisation bildete sich eine lange Schlange von Trauernden. Die Polizei sperrte die Umgebung weiträumig ab.
Ein Blumenmeer umgab den Sarg bereits kurz nach der Öffnung des Menschenrechtszentrums. Vor dem Gebäude warteten die Trauernden stundenlang bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und leichtem Schneefall. Die Menschenschlange zog sich Hunderte Meter die Straße entlang. Viele Trauernde waren in Tränen aufgelöst. Mehreren Politikern aus EU-Staaten, die von Nemzow Abschied nehmen wollten, wurde die Einreise nach Russland verweigert.
Am Nachmittag soll Nemzow auf dem Moskauer Prominentenfriedhof Trojekurowo beigesetzt werden. Er war am Freitagabend in Kremlnähe auf offener Straße erschossen worden. Der Täter entkam unerkannt.
Freundin sah Schützen nicht
Seine ukrainische Lebensgefährtin ist wieder zurück in ihrem Heimatland. Die 23-jährige Anna Durizkaja, die nach eigenen Angaben tagelang in Moskau gegen ihren Willen festgehalten worden war, traf am späten Montagabend am Flughafen in Kiew ein. Sie war bei dem Mord an der Seite Nemzows und ist die Hauptaugenzeugin.
Durizkajas Anwalt Wadim Prochorow sagte, seine Mandantin brauche nun Ruhe. Die junge Frau stieg am Flughafen rasch in ein Auto, ohne sich noch einmal zu äußern.
Nach eigenen Angaben wurde der 23-Jährigen seit dem Verbrechen die Ausreise aus Moskau verweigert. Sie sagte dem russischen Oppositionssender Doschd am Montag, sie sei nicht verdächtig und habe deshalb "das Recht, Russland zu verlassen". Sie habe der Polizei bereits alles gesagt, was sie wisse.
Durizkaja sagte, sie wisse nicht, woher der Täter gekommen sei, "er war hinter mir". Sie habe aber ein helles Auto bemerkt, das schnell wegfuhr. Dann sei sie sofort zur Vernehmung gebracht worden.
US-Präsident kritisiert Bedrohung von Andersdenkenden
Die Ermordung Nemzows belegt nach den Worten von US-Präsident Barack Obama, dass sich die Menschenrechtslage in Russland immer mehr verschlechtert. “Die Tat spiegelt ein Klima innerhalb Russlands wider, in dem die Zivilgesellschaft, kritische Journalisten und Internet-Nutzer sich zunehmend bedroht und eingeschränkt fühlen“, sagte Obama der Nachrichtenagentur Reuters. “Es ist zunehmend so, dass die russische Öffentlichkeit sich Informationen nur durch staatlich kontrollierte Medien verschaffen kann“. Was genau in Moskau geschehen sei, könne er derzeit nicht sagen, sagte Obama. “Aber ich weiß, dass die Pressefreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Informationsfreiheit und grundlegende Bürgerrechte in Russland heute einen weit schlechteren Stand haben als noch vor fünf oder zehn Jahren“.
Obama hatte Nemzow 2009 bei einem Besuch in Moskau getroffen. Das gleiche Klima, in dem der Mord an dem Oppositionellen geschehen sei, ermögliche Russland auch sein aggressives Vorgehen gegen die Ukraine, so der US-Präsident. Zuvor hatte Obama bereits eine umfassende Untersuchung der Tat verlangt.