Polen: Tausende demonstrieren gegen rechtskonservative Regierung
In mehr als 20 polnischen Städten haben tausende Bürger das Gebaren der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit öffentlich kritisiert. In Warschau störte eine Bombendrohung die Demonstration.
Tausende Menschen haben in mehr als 20 polnischen Städten für Demokratie und gegen die neue nationalkonservative Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit demonstriert. Mit Parolen wie "Wir werden die Demokratie verteidigen!", "Wir werden die Verfassung verteidigen!" oder "Wir werden das Verfassungsgericht verteidigen!" machten die Demonstranten bei der zentralen Kundgebung vor dem Parlament in Warschau ihrem Ärger Luft.
Auch in den Städten Lublin im Osten, Danzig im Norden und Posen im Westen gab es Kundgebungen. In Warschau wurde die Zahl der Demonstranten auf 10.000 geschätzt, das staatliche Fernsehen sprach von je rund 4000 Kundgebungsteilnehmern in Posen und Danzig sowie von tausend Demonstranten in Lublin. Am Samstag zuvor waren in Warschau rund 50.000 Demonstranten auf die Straße gegangen.
Wegen einer Bombendrohung musste die Demonstration in Warschau nach zwei Stunden vorzeitig abgebrochen werden. Es habe einen anonymen Anruf gegeben, sagte ein Polizeisprecher der Agentur PAP. Die Entscheidung habe bei den Veranstaltern gelegen. Zuvor hatten die Teilnehmer vor dem Parlament friedlich Spruchbänder wie "Nein zur Diktatur" und "Hände weg vom Verfassungsgericht" hochgehalten. Zum Abschluss sangen sie die Nationalhymne.
Die Veranstalter vom Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD) riefen zum Widerstand gegen ein "rechtloses Polen" auf, das eine Partei sich zu ihrem Besitz mache. "Wir haben unsere Freiheiten und wir werden kämpfen, um sie zu verteidigen", sagte Komitee-Gründer Mateusz Kijowski. Die spontan gegründete zivilgesellschaftliche Gruppe wird von den meisten Oppositionsparteien unterstützt. Die bekannte Hollywood-Regisseurin Agnieszka Holland unterstützte die Aktivisten und sagte: "Demokratie ist wie frische Luft, ohne die man nach kurzer Zeit im Smog erstickt." Auch in Berlin, London und Brüssel fanden kleinere Kundgebungen statt.
Lech Walesa warnte jüngst vor "Bürgerkrieg"
Die Kritiker werfen der Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Ministerpräsidentin Beata Szydlo vor, Justiz und Verwaltung unter ihre Kontrolle bringen zu wollen. Die Nationalkonservativen von Ex-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski haben im Parlament Gesetze eingebracht, die das Verfassungsgericht und das Dienstrecht der Staatsbediensteten neu ordnen würden. Besonders die Versuche der Regierungsmehrheit, das Verfassungsgericht durch die Ernennung von fünf neuen Richtern unter Kontrolle zu bringen, sorgt für heftige Kritik der Opposition. Die PiS verfügt seit den Wahlen im Oktober über die absolute Mehrheit in beiden Kammern.
Der frühere Präsident und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa hatte jüngst angesichts der Spaltung des Landes vor einem "Bürgerkrieg" gewarnt. Bereits am vergangenen Wochenende hatten zehntausende Polen in Warschau gegen eine "Schleifung der Demokratie" durch die rechtskonservative Regierung demonstriert. Der Kurs der neuen Regierung hat auch innerhalb der EU wiederholt Kritik hervorgerufen. (AFP, dpa)
Ein Land sucht seine Seele: Lesen Sie hier einen Essay des Politikwissenschaftlers Jerzy Mackow über Polen und seine neue Regierung.