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Teilnehmer einer Protestdemonstration gegen die neue polnische Regierung versammelten sich am Sonntag vor dem Privathaus von Jaroslaw Kaczynski, dem Führer der rechtskonservativen Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS).
© Wojtek Radwanski/AFP

Kritik an Regierungskurs in Warschau: EU soll sich den Fall Polen vornehmen

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn fordert die EU auf, mit dem Finger auf Polen zu zeigen, das Grundrechte und Verfassung mit Füßen trete.

Durch den Kurs der neuen polnischen Regierung ist nach Ansicht des luxemburgischen Außenministers Jean Asselborn die Unabhängigkeit von Justiz und Medien in dem Land bedroht. "Wir dürfen nicht davor zurückscheuen, mit dem Finger auf diejenigen Länder zu zeigen, in denen Grundrechte und Verfassung mit Füßen getreten werden", sagte Asselborn, dessen Land derzeit dem EU-Rat vorsitzt, im Gespräch mit "Spiegel Online". Wenn ein Land gegen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verstoße, müsse dies künftig im Ministerrat diskutiert werden, forderte er.

In Polen waren am Wochenende zehntausende Menschen gegen den Kurs der rechtskonservativen Regierung auf die Straße gegangen. Sie protestierten gegen eine "Schleifung der Demokratie" durch die neue Regierung. Die Kritiker prangern unter anderem die Einsetzung von der Regierung genehmen Verfassungsrichtern an. Auch Anhänger der neuen Regierung demonstrierten am Wochenende.

Asselborn sagte nun: "Eigentlich müsste Polen mit seiner Geschichte dafür stehen, alle undemokratischen Tendenzen abzulehnen." Der EU-Ratspräsident fügte hinzu: "Aber offensichtlich nimmt sich die neue Regierung ein Vorbild am ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban." Der Rechtspopulist Orban war wegen seine Vorgehens gegen Justiz und Medien häufig scharf kritisiert worden. Asselborn versicherte, dass die Entscheidung der polnischen Wähler selbstverständlich akzeptiert werde. "Aber wenn europäische Grundrechte ausgehebelt werden, ist das keine Einmischung in innere Angelegenheiten eines Mitgliedslands, dann muss das unser aller Sorge sein."

Sanktionen kann die EU wegen möglicher Demokratiedefizite eines Mitgliedslandes nur schwer verhängen. Asselborn kündigte aber in einem anderen Fall harte Konsequenzen an, sollte die neue polnische Regierung sich nicht an die Vereinbarungen halten: "Die Verteilung von Flüchtlingen ist europäisches Gesetz", sagte Asselborn "Spiegel Online". "Wenn Polen dieses Gesetz nicht einhält, wird die EU-Kommission ein Vertragsverletzungverfahren einleiten."

Polens Vize-Innenminister Jakub Skiba hatte am Wochenende angekündigt, dass die von der Vorgängerregierung akzeptierte Aufnahme von Flüchtlingen "umformuliert" werden solle. Er versicherte aber: "Wir wollen die Verpflichtung nicht umgehen." Er schloss zugleich nicht aus, dass sich Polen der Klage der Slowakei vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Umverteilung von Flüchtlingen in der EU anschließen könnte. Die Vorgängerregierung hatte einen Plan der EU-Innenminister zur Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen in Europa akzeptiert. Davon soll Polen 7000 übernehmen.

Am Samstag hatten sich in Warschau nach Angaben der Stadtverwaltung rund 50.000 Regierungsgegner versammelt. Sie folgten einem Aufruf des Komitees zur Verteidigung der Demokratie (KOD). "Mehrheit bedeutet nicht Diktatur", sagte Komitee-Gründer Mateusz Kijowski. Die spontan gegründete zivilgesellschaftliche Gruppe wird von den meisten Oppositionsparteien unterstützt. In anderen polnischen Städten gab es ähnliche Demonstrationen.

Bei einer Gegendemonstration am Sonntag warf der Chef der rechtskonservativen Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) Jaroslaw Kaczynski dem Verfassungsgericht Komplizenschaft bei einem "gigantischen" Machtmissbrauch vor. Dabei seien "dutzende Milliarden Zloty" veruntreut worden, sagte Kaczynski am Sonntagabend vor dem Sitz des Verfassungsgerichts in Warschau vor etwa 20.000 Anhängern. Dahinter stecke ein Teil der politischen Klasse, nämlich Ex-Kommunisten und ihre Verbündeten.

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