Nordafghanistan: Taliban auf dem Vormarsch
Nach dem Abzug der Bundeswehr erobern die radikalislamistischen Taliban immer größere Teile des Landes zurück. Die Grünen sehen darin ein Versagen des Westens.
Früher galt die nordafghanische Provinz Kundus als relativ sicher. Doch nach dem Abzug der Bundeswehr haben die Taliban Boden gewonnen. Jetzt spitzt sich die Lage zu. Nach Tagen schwerer Gefechte eroberten die Radikalislamisten weiteres Territorium. Das Zentrum des Bezirks Chanabad war am Ende heftig umkämpft, wurde von Taliban eingenommen, dann von Sicherheitskräften zurückerobert. Vier der fünf Bezirke der Provinz Kundus, in der bis 2013 die Bundeswehr stationiert war, sind derart umkämpft oder in den Händen der Islamisten. In der Provinzhauptstadt sind die Ängste groß, dass sich der Fall der Provinz aus dem Herbst 2015 wiederholt. Damals war Kundus fast zwei Wochen in den Händen der Taliban gewesen.
Seit Anfang Juli hat sich die Gewalt im Land noch einmal deutlich gesteigert. In der an Kundus angrenzenden Nordprovinz Baghlan haben die Taliban in der vergangenen Woche den Bezirk Dahan-e Ghori erobert. Auch hier war bis 2013 die Bundeswehr stationiert gewesen.
Die Lage bleibe fragil, sagte SPD-Wehrexperte Rainer Arnold: „Ein Zurück zum Kampfauftrag für die internationalen Truppen wird es trotzdem nicht geben“, erklärte Arnold dem Tagesspiegel. Was die afghanischen Streitkräfte dringend bräuchten, sei mehr technische Unterstützung, „besonders Aufklärung, Logistik und durch die USA auch Luftnahunterstützung die bilateral geregelt ist“.
Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour kritisierte die Afghanistan-Politik des Westens scharf: Die Nato-Staaten hätten in den letzten Jahren nur noch nach dem Motto ,declare victory and leave’ gehandelt.“ Alle wüssten, dass die einheimischen Sicherheitskräfte noch nicht selbstständig arbeiten könnten. „Man hat aber lieber die Afghanen allein gelassen als um die Geduld der westlichen Öffentlichkeiten zu kämpfen“, sagte Nouripour. „Jede weitere Region, die an die Taliban fällt, zerstört noch mehr das Vertrauen der Afghanen in die Zukunftsfähigkeit ihres Landes. Deshalb gibt es dort derzeit eine massive Exodus-Stimmung.“