Klimaschutz: Taktik im Emissionshandel
Die Europäer ringen um die Modernisierung ihrer Energieinfrastruktur.
Viele Stunden haben die Unterhändler vom Europäischen Rat, EU-Parlament und Kommission – der sogenannte Trilog – jüngst über die Reformen des Europäischen Emissionshandels für die vierte Handelsperiode (2021-2030) debattiert. Eine Einigung konnten die Beteiligten dennoch nicht erzielen. Die endgültige Löschung der überschüssigen Zertifikate war aber nicht der große Knackpunkt. Vielmehr ging es um Uneinigkeiten beim Artikel 10c sowie den Modernisierungsfonds.
Seit 2013 erhalten Anlagen zur Stromerzeugung keine kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten
Seit Beginn der dritten Handelsperiode 2013 erhalten Anlagen zur Stromerzeugung keine kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten mehr, sondern müssen diese zu 100 Prozent am Markt kaufen. Davon ausgenommen sind nach Artikel 10c der Emissionshandelsrichtlinie (EHRL) Stromerzeugungsanlagen in acht ausgewählten Ländern, nämlich Bulgarien, Zypern, Tschechien, Estland, Ungarn, Litauen, Polen und Rumänien. Diese Länder dürfen zur Unterstützung von Investitionen übergangsweise kostenlose Zertifikate erhalten, sofern die Länder einen Plan zur Modernisierung ihrer Energieinfrastruktur vorlegen. Im Ergebnis haben in der Vergangenheit aber vor allem die Betreiber von relativ alten Kohlekraftwerken über diesen Mechanismus kostenlose Emissionszertifikate mit einem Gegenwert im einstelligen Milliardenbereich erhalten. Über die Hälfte der kostenlosen Zuteilung entfiel dabei auf Polen. Beobachter kritisieren, dass auf diese Weise die Überlebenszeit fossiler Energien verlängert wird.
Das Europäische Parlament war zuletzt für einen Grenzwert von 450 Gramm CO2
Im Trilog bleibt strittig, ob es konkrete Vorgaben dafür geben soll, wie emissionsintensiv die Kraftwerke sein dürfen. Anders als der Rat hatte sich das Europäische Parlament hier zuletzt für einen Grenzwert von 450 Gramm CO2 pro Kilowattstunde (CO2/kWh) ausgesprochen. Dies würde de facto zu einem Ausschluss der Förderfähigkeit von Investitionen in Braun- und Steinkohlekraftwerke führen.
Der zweite große Streitpunkt führt in die gleiche Richtung: Das Europäische Parlament fordert, dass nur fossile Kraftwerke mit Mitteln aus dem sogenannten Modernisierungsfonds gefördert werden, die einen Grenzwert von 450 Gramm pro Kilowattstunde einhalten. „Ich halte dies für eine falsche Taktik“, so sieht es Franzjosef Schafhausen, langjähriger Beobachter des europäischen Emissionshandels. Aus seiner Sicht ist es in Ordnung, am Anfang höhere Grenzwerte zuzulassen, um dann später die Zügel anzuziehen.
Umweltorganisationen sehen das natürlich anders. „Aus Klimaschutzsicht ist es gut, dass der Trilog sich nicht einigen konnte“, sagt Femke de Jong von der Organisation Carbon Market Watch in Brüssel. „Polen Milliarden zuzugestehen, damit sie diese Beträge dann in Kohleinfrastruktur investieren, läuft dem Ziel des Emissionshandels zutiefst zuwider.“ Das wäre zudem ein schlechtes Signal an die bevorstehenden UN-Klimaverhandlungen.