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Gefährliche Flucht: Ein erschöpfter syrischer Flüchtling in dieser Woche nach seiner Landung auf der griechischen Insel Lesbos
© Yannis Behrakis/Reuters

UN-Flüchtlingshilfswerk schlägt Alarm: Syriens reiche Nachbarn zahlen kaum für Flüchtlinge

Das UN-Flüchtlingswerk hat nicht mehr genug Geld, geflohene Syrer in den Lagern in Landesnähe zu versorgen. Selbst superreiche Ölstaaten zahlen nur Almosen.

Der aktuell starke Zustrom syrischer Flüchtlinge hat seinen Grund offenbar darin, dass die internationale Gemeinschaft sie nicht mehr ausreichend nahe ihrer Heimat versorgt. Nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) sind inzwischen 360.000 Syrerinnen und Syrer in Lagern rings um ihr Heimatland inzwischen ganz ohne jede Hilfe des WFP. Für weitere mehr als 1,5 Millionen ihrer Landsleute habe man die Nahrungsrationen drastisch kürzen müssen, sagt Abeer Etefa, die WFP-Verantwortliche für Nordafrika und den Nahen Osten. Sie erhalten derzeit 13 bis 14 Dollar pro Kopf und Monat, „das sind weniger als 50 Cent täglich, von denen sie essen und überleben müssen“.

"Antwort der UN-Mitglieder enttäuschend"

Diese wenigen Dollar sind weniger als die Hälfte dessen, was die Flüchtlinge tatsächlich mindestens brauchten – und was die UN ursprünglich auch aufwenden konnten. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR hat aber kein Geld mehr. Seine Sprecherin Melissa Fleming schlug vor einigen Tagen Alarm. Wie jedes Jahr seit dem Beginn des syrischen Bürgerkrieg habe der UNHCR auch in diesem Januar seinen Bedarf errechnet und die Mitgliedsstaaten um Spenden gebeten.

„Die Antwort war in diesem Jahr enttäuschend“, sagt Fleming. 4,5 Milliarden Dollar wären nötig, um den vier Millionen syrischen Flüchtlingen in den Lagern in Libanon, Jordanien und der Türkei mit Nahrung, Unterkünften und elementarer medizinischer Versorgung zu helfen. Davon trafen bisher aber erst 43 Prozent ein, „und wir haben schon September“, sagt Fleming.

Saudis zahlen ein Viertel des deutschen Betrags, Ungarn nichts

Wie die meisten humanitären UN-Agenturen hängt auch UNHCR ausschließlich von freiwilligen Zuwendungen der Mitgliedsstaaten, von Stiftungen und Einzelnen ab. Die Spendenliste in diesem Jahr hat nicht nur lediglich 33 Posten – die UN haben 193 Mitglieder –, auch innerhalb der reichen Staaten der Welt zeigen sich dort erhebliche Unwuchten. So trugen Syriens reiche Nachbarn, die Ölstaaten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, bisher mit nur 2,8 beziehungsweise 2,2 Millionen Dollar bei.

Katar, das als Gastgeber der Fußball-WM von 2022 aktuell eine gigantische Infrastruktur in die Wüste baut, machte für die vertriebenen Syrer gerade einmal 2,5 Millionen locker. Keinen einzigen Dollar nach New York überwies das Land, das sich in Europa derzeit am rabiatesten gegen Flüchtlinge abschottet und gegen sie vorgeht: Ungarn.

Hauptspender sind die USA

Auch die baltischen Staaten, die praktisch keinen Flüchtling aufnehmen, zeigten sich wenig bereit, deren Verbleib in Heimatnähe durch Hilfe zu fördern: Lettland und Litauen zahlten 55.000 und 44.000 Dollar, Estland taucht in der UNHCR-Liste überhaupt nicht als Spenderin auf. Russland überwies lediglich 300.000 Dollar, Japan dagegen 28 Millionen. Im übrigen Europa verteilt sich das Engagement – gesonderte 57 Millionen überwies Brüssel für die EU – überaus ungleich: Großbritannien half mit 43 Millionen, dem größten Länderbetrag, Frankreich dagegen zahlte nur 1,8 Millionen Dollar, so viel wie Spanien. Die Schweiz machte 2,6 Millionen Dollar locker. Insgesamt den Löwenanteil zur geforderten Syrienhilfe des UNHCR steuerten bisher die USA bei, 212 Millionen Dollar. Ihnen folgt mit weitem Abstand Kuwait, das 102 Millionen zahlte.

Ins Boot nach Europa statt nah der Heimat verhungern

Den Zusammenhang zwischen mangelnder Hilfe vor Ort und vermehrter Flucht nach Europa erklärt Melissa Fleming vom UNHCR so: Die Lager im Libanon, in der Türkei und Jordanien seien zu Beginn eine vergleichsweise gute Möglichkeit für die Flüchtlinge gewesen: „Sie liegen nahe an ihrer Heimat, und die Flüchtlinge glaubten wirklich daran, dass sie bald nach Syrien zurückkönnten“. Diese Hoffnung verlören sie inzwischen, und da die Bedingungen in den Nachbarländern schlechter würden, müssten sie sich entscheiden.

Viele fragten sich, was sie schon zu verlieren hätten, wenn sie ein Boot nach Europa nähmen. Eine Sprecherin des Bundesentwicklungsministeriums sagte dem Tagesspiegel, Deutschland habe seine Zusagen übererfüllt, man werde sich aber „ weiterhin entschieden dafür einsetzen, dass auch andere Staaten ihren Worten Taten folgen lassen“.

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