Letzte IS-Bastion Baghuz gefallen: Syriens Kurden feiern Sieg über den IS mit Militärzeremonie
Die letzte IS-Bastion im syrischen Baghuz ist nach Angaben kurdisch angeführter Kämpfer gefallen. Doch ein Ende der Dschihadisten bedeutet das nicht.
Mit Einnahme der letzten IS-Bastion kommt der Krieg gegen die Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien und im Irak nach fast fünf Jahren zu einem vorläufigen Ende. Die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) erklärten am Samstag Baghus im Osten Syriens für befreit. „Wir stehen hier, um den Sieg über Daesh zu verkünden“, sagte SDF-Kommandeur Maslum Kobane bei einer Militärzeremonie am ostsyrischen Ölfeld Omar. Das selbst ernannte Kalifat der Extremisten ist zwar endgültig zerstört, aber die Kurden warnten, dass der IS trotz der Niederlage noch lange nicht besiegt sei. Auch aus Sicht Frankreichs und der USA bleibt die Terrorgruppe eine Bedrohung. IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi ist Medienberichten zufolge untergetaucht.
SDF-Kommandeur Maslum Kobane sagte: „Wir stehen hier, um den Sieg über Daesh zu verkünden.“ Daesh ist die arabische Abkürzung für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Bei der Zeremonie wehten neben den Fahnen der SDF auch US-Flaggen.
Nach monatelangen Kämpfen hatten Truppen unter kurdischer Führung die letzte Bastion der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien eingenommen. Der Ort Baghuz sei befreit und der militärische Sieg erzielt worden, teilte der Sprecher der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Mustafa Bali, am Samstag über Twitter mit. „Die Syrischen Demokratischen Kräfte erklären die vollständige Zerstörung des so genannten Kalifats und die territoriale Niederlage des IS zu 100 Prozent.“ Die Offensive zur Befreiung von Baghuz hatte am 9. Februar begonnen.
Das Weiße Haus hatte bereits am Freitag die Vertreibung des IS aus Baghuz verkündet, obwohl die Kämpfe zu dem Zeitpunkt laut SDF noch andauerten. Die letzte IS-Bastion war am Freitagmorgen nach zweitägiger Pause wieder unter Beschuss genommen worden.
Syrische Kurden warnen vor Wiederaufstieg der IS-Terrormiliz
Die Befreiung der letzten IS-Bastion in Syrien sei ein „historischer Moment“, auf den die internationale Gemeinschaft gewartet habe, sagte der Außenbeauftragte des politischen Arms der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Abdel Karim Umar, am Samstag der Deutschen Presse-Agentur dpa. „Das bedeutet aber nicht, dass wir den Terror besiegt haben.“
Der IS sei zwar militärisch zerstört und der Staat der Extremisten zerschlagen, sagte Abdel Karim Umar weiter. „Aber Daesh ist in den befreiten Gebieten noch immer präsent.“ Daesh ist die arabische Abkürzung für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Es gebe in der Region Dutzende Schläferzellen, erklärte der Kurdensprecher. Auch die IS-Ideologie sei noch immer lebendig. „Daesh kann in neuer Form wieder auferstehen.“
Frankreichs Präsident: "Große Gefahr" ist nun "beseitigt"
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die britische Premierministerin Theresa May haben die Eroberung der letzten Bastion der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien begrüßt. Macron erklärte am Samstag im Onlinedienst Twitter, mit der Vertreibung der Dschihadisten aus Baghus sei eine "große Gefahr" für Frankreich nun "beseitigt". Die Bedrohung durch den IS bleibe aber bestehen. Der "Kampf gegen Terrorgruppen" müsse daher fortgesetzt werden, fügte Macron hinzu. May würdigte den Sieg über die Dschihadisten in Baghus als "historischen Meilenstein", der ohne "den Einsatz, die Professionalität und den Mut" der gegen den IS kämpfenden Truppen nicht möglich gewesen sei. May lobte in einer Erklärung die "unermüdlich Arbeit" und den "außergewöhnlichen Mut" der britischen Truppen und ihrer internationalen Verbündeten, die den IS in Syrien und im Irak bekämpft hätten. Der Vize-US-Gesandte bei der internationalen Anti-IS-Koalition, William Roebuck, sprach von einem „entscheidenden Meilenstein“ im Kampf gegen den IS, erklärte aber auch: „Wir haben noch viel Arbeit vor uns, um eine dauerhafte Niederlage des IS zu erreichen.“ Die Terrormiliz bleibe eine bedeutende Bedrohung, sagte er bei der Siegeszeremonie der Kurden. In einem vor einigen Wochen vom Pentagon veröffentlichten Bericht heißt es, der IS bleibe aktiv und könne in sechs bis zwölf Monaten wieder aufleben.
IS-Kämpfer verschanzten sich bis zuletzt in Gräben und Tunneln
Die Extremisten hatten im Sommer 2014 den Höhepunkt ihrer Macht erreicht, als sie die nordirakische Millionenstadt Mossul überrennen konnten. Kurz darauf rief die Terrormiliz ein „Kalifat“ unter Führung von IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi aus, der sich in einer Moschee Mossuls bei einer Freitagspredigt das bisher einzige Mal öffentlich zeigte.
Die Dschihadisten kontrollierten damals eine riesige Region, die sich über große Teile Syriens und des Iraks erstreckte. Mit dem Beginn der internationalen Militärintervention unter US-Führung verlor der IS sein Herrschaftsgebiet jedoch nach und nach. Mit Unterstützung aus der Luft brachten es lokale Bodentruppen unter ihre Kontrolle.
Im Sommer 2017 konnte die irakische Armee Mossul nach monatelangen heftigen Kämpfen vollständig befreien. Im Herbst desselben Jahres verloren die Dschihadisten die nordsyrische Stadt Al-Rakka, die inoffizielle Hauptstadt des IS. Ende 2017 erklärte der Irak den militärischen Sieg über die Terrormiliz. Zurück bleiben zerstörte Städte und Regionen, deren Wiederaufbau Milliarden kosten wird.
In Baghuz nahe der Grenze zum Irak waren bis zuletzt noch IS-Anhänger auf engstem Raum am Ufer des Euphrat-Flusses in einem Zeltlager eingeschlossen, wo sie sich in Gräben und Tunnel eingegraben hatten. Bis zum Schluss leisteten sie Widerstand. Auch IS-Chef Abu Bakr al-Bagadadi soll Medienberichten zufolge in Baghuz gewesen sein, vor Beginn der kurdischen Offensive aber in die umliegenden Wüstengebiete geflohen sein.
Baldiger Abzug der US-Truppen nun wahrscheinlicher
In den vergangenen Wochen hatten Tausende IS-Kämpfer aufgegeben und sich den SDF-Truppen gestellt. Sie wurden in Gefangenenlager gebracht und verhört. Auch Zehntausende Zivilisten, darunter Angehörige der IS-Kämpfer, verließen den Ort. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte warf den Extremisten vor, Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.
Mit dem Sieg über den IS wird auch ein baldiger Abzug der US-Truppen aus Syrien wahrscheinlicher, den US-Präsident Donald Trump im Dezember angekündigt hatte. Allerdings soll nach letzten Plänen des Weißen Hauses noch ein Truppenkontingent im Land bleiben.
Die Abzugspläne Amerikas haben international massive Kritik ausgelöst. Militärs und Beobachter warnen, der IS sei trotz der Niederlage noch nicht besiegt und könne wieder erstarken. In einem vor einigen Wochen vom Pentagon veröffentlichten Bericht heißt es, der IS bleibe aktiv und könne in sechs bis zwölf Monaten wieder aufleben.
Bei einem US-Abzug droht auch ein Angriff der Türkei auf die Kurdenmiliz YPG, die die SDF anführt. Die Regierung in Ankara sieht in der Miliz einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und hat sie als Terrororganisation eingestuft. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat einen Offensive gegen die YPG angekündigt.
Die Kurden kontrollieren in Nordsyrien ein großes Gebiet an der Grenze zur Türkei und haben dort eine Selbstverwaltung errichtet. Die YPG ist der wichtigste Verbündete der USA in Syrien. Unter Führung der Miliz konnten die SDF die größten Teile des IS-Gebietes in dem Bürgerkriegsland einnehmen, darunter wichtige Ölquellen. (dpa, AFP)
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