Verhandlungen um IS-Dschihadisten: Syriens Kurden appellieren an die Bundesregierung
Ein Vertreter der Selbstverwaltung in Nordost-Syrien besucht Berlin - die Bundesregierung hält sich zurück. In Schweden empfing ihn dagegen die Außenministerin.
Die Autonomieverwaltung der syrischen Kurdenregion bittet die Bundesregierung, aus Deutschland stammende Dschihadisten zurückzuholen. „Wenn die Bundesregierung die von uns bewachten Islamisten aus Deutschland nicht aufnimmt, muss sie unserer Verwaltung wenigstens aushelfen – mit humanitären Gütern, aber auch finanziell.“ Das sagte Bedran Ciya Kurd, Vize-Vorsitzender des Selbstverwaltungsrats von Nord- und Ostsyrien, dem Tagesspiegel in Berlin.
Kurd reist derzeit zu politischen Gesprächen durch Europa. Ihm sei bewusst, dass die Rückführung in Einzelfällen dauere, die Bundesregierung habe aber entsprechende Zusagen gemacht. Das Bundeskabinett erkennt die Autonomieverwaltung der multiethnischen, mehrheitlich von Kurden bewohnten Region offiziell nicht an.
Das Auswärtige Amt (AA) führt vor Ort jedoch inoffiziell Gespräche über eine zweistellige Zahl deutscher Dschihadisten, die sich einst dem „Islamischen Staat“ (IS) angeschlossen hatten und von der kurdisch-arabisch-assyrischen Militärallianz SDF gefangen genommen wurden. Einige IS-Anhängerinnen aus Deutschland haben in Syrien zudem Kinder geboren. In den Jahren 2020 und 2019 wurden einige Frauen und Kinder in die Bundesrepublik gebracht, nachdem deutsche Gerichte geurteilt hatten, die Bundesregierung müsse eigene Staatsbürger zurückholen.
In Syriens auch Rojava genannter Kurdenregion regiert seit 2012 de facto eine Koalition unter Führung der säkularen Kurdenpartei PYD. Von ihr distanziert sich das Bundeskabinett aus Rücksicht auf den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Er betrachtet die PYD als Schwesterverband der auch in Deutschland verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans PKK. Ankaras Armee hält Teile Rojavas besetzt und bombardiert PKK-Stellungen im angrenzenden Nordirak.
Auch Syriens Zentralregime unter Baschar al Assad, der am Samstag seine vierte Amtszeit antrat, lehnt die Autonomieverwaltung ab. Die USA und viele EU-Staaten erkennen die syrisch-kurdische Selbstverwaltung aber an. Vize-Vorsitzender Kurd traf erst vor einigen Tagen die schwedische Außenministerin Ann Linde, die trotz Protest der türkischen Regierung umgerechnet 8,5 Millionen Euro Hilfe für Rojava zusagte.