Nach Einigung im UN-Sicherheitsrat: Helfer beliefern Aufständische im syrischen Idlib – auch Kurden fordern Grenzverkehr
Idlib erreichen nach Streit zwischen Russland und dem Westen weiter internationale Lieferungen. Die kurdische Autonomieverwaltung will Transporte über den Irak.
Internationale Wohlfahrtsverbände haben die Verlängerung der Nahrung- und Lebensmitteltransporte zu den Aufständischen ins syrische Idlib begrüßt. Eine "humanitäre Katastrophe" sei abgewendet worden, sagte der Syrien-Verantwortliche der Welthungerhilfe, Konstantin Witschel. An diesem Wochenende passieren wie in den letzten Jahren also Lastwagen aus der Türkei den Grenzübergang Bab al-Hawa in Nordwestsyrien.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte noch am Freitag eine Verlängerung der grenzüberschreitenden humanitären Hilfe beschlossen. UN-Generalsekretär António Guterres begrüßte die Resolution 2585, wonach die Nutzung des Grenzübergangs Bab al-Hawa für die Lieferung humanitärer Hilfe um sechs Monate verlängert wurde, "mit der Erwartung einer anschließenden Verlängerung um weitere sechs Monate bis zum 10. Juli 2022".
Russland, Vetomacht im UN-Sicherheitsrat, hatte sich zuvor gegen eine Verlängerung der Transporte gesperrt: Die Lieferungen in das auch von Islamisten beherrschte Idlib verletzten die Souveränität der syrischen Zentralregierung. Russland und Iran unterstützen das Damaszener Regime.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte, er sei „erleichtert“. Die Verlängerung der Resolution sei ein notweniger, aber nicht ausreichender Schritt: Die Not der Syrer sei durch die Corona-Pandemie noch schlimmer geworden.
Das Gouvernement Idlib ist eine der letzten Hochburgen der Aufständischen, in dem bis zu vier Millionen Syrer leben – es gibt nur vage Schätzungen. In vielen Orten herrschen Islamisten, anderswo säkulare Oppositionelle. Eingekeilt zwischen Truppen des Regimes und türkischer Grenze, an der sich seit Monaten viele Flüchtlinge drängen.
Syriens Präsident Baschar al Assad möchte Lieferungen nur noch über die Hauptstadt Damaskus organisieren, seine Armee könnte dann den Ring um Idlib schneller enger ziehen. Für Assad wird Idlib von Terroristen beherrscht, er sieht sich als Garant eines geeinten Syriens, das sonst in ethno-religiöse Fragmente zerfiele.
Eine der mächtigsten Gruppen in Idlib ist Hayat Tahrir al Scham. Der meist HTS abgekürzten Islamistenmiliz gehören Al-Kaida-Anhänger aus der ganzen Region an, sie ist für eine Vielzahl schwerster Verbrechen verantwortlich.
Im Nordosten des Landes wiederum fürchten die Kurden um die von ihnen erkämpfte Autonomie. Immer wieder wehren sich die Einheiten der dortigen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyrien nicht nur gegen Zellen des "Islamischen Staates" und Provokationen der Assad-Truppen, sondern auch gegen türkische Angriffe.
Die Autonomieverwaltung hat vor einigen Tagen ebenfalls an den UN-Sicherheitsrat appelliert, den syrisch-irakischen Grenzübergang Til Koçer für humanitäre Hilfe zu öffnen. Die von Kurden Rojava genannte, multiethnische Autonomieregion wird von den meisten Mächten der Region de facto boykottiert. Im Nordosten Syriens leben schätzungsweise fünf Millionen Menschen, darunter viele Binnenflüchtlinge.