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Die Nachricht löste unter den meisten Sudanesen großen Jubel aus.
© Ashraf Shazly/AFP

Militär putscht gegen al Baschir: Sudan feiert den Sturz des Despoten

Am Ende wurden die Proteste gegen al Baschir zu groß. Es ist das Ende eines weiteren autokratischen Herrschers in Afrika.

Plötzlich verstummt die Musik. Schweigen im Radio. Auch im Fernsehen wird das Programm unterbrochen. Bald werde es eine „wichtige Mitteilung“ geben, verkündet die Stimme im Staatsfunk. Die Armee! Am Markt der Hauptstadt Khartum fallen die Sudanesen einander in die Arme. Über diese Unterbrechung sind sie keineswegs erbost, denn es ist das Ergebnis von vier Monaten Massenprotesten, die Dutzende Tote und Hunderte Verletzte forderten. Noch ehe das Militär den Regierungswechsel offiziell verkündet, feiern die Sudanesen in den Straßen: Nach knapp drei Jahrzehnten ist Sudans umstrittener Machthaber Omar al Baschir Geschichte.

Erst Stunden später die Gewissheit: Im Staatsfernsehen verkündet der Verteidigungsminister des Landes, Ahmed Awad Ibn Auf, eine zweijährige Übergangsregierung durch das Militär – „um dem Volk den Weg zu bereiten“. Die Verfassung des ostafrikanischen Landes werde ausgesetzt, der Luftraum für 24 Stunden geschlossen und ein dreimonatiger Notstand verhängt. Zudem forderte der General die Festnahme des „Regimeführers“ al Baschir. Die Übergangsregierung werde Ibn Auf persönlich leiten.

Kurz darauf waren die Militärfahrzeuge in der Hauptstadt von Feiernden umzingelt. „Es fühlt sich an, als wäre ganz Khartum hier versammelt. Die Menschen freuen sich“, zitiert die BBC einen Demonstranten. Ein weiterer Kritiker ruft: „Er ist weg, wir haben gewonnen.“

Die Machtübernahme folgt monatelangen Protesten im gesamten Land gegen al Baschirs autokratischen Regierungsstil und gestiegene Lebenshaltungskosten. In Khartum hatten sich am Wochenende Tausende Demonstranten zu einem Sitzstreik vor der Zentrale der sudanesischen Streitkräfte versammelt. Täglich wuchs die Zahl der Belagerer, Oppositionsvertreter sprechen von mindestens 600.000.

Das Militär nahm Omar al Baschir fest.
Das Militär nahm Omar al Baschir fest.
© Ashraf Shazly/AFP

Proteste gibt es fast jeden Tag, wie am vergangenen Montag: Ein Meer von Demonstranten klatscht rhythmisch in die Hände und ruft Parolen gegen die Machthaber. In den Wutgesang mischt sich die helle Stimme einer Frau, sie feuert die Massen von ihrem Podest aus an. Diese eintönige Kakophonie von Wut und Zorn wiegelt die Stimmung von Tag zu Tag weiter auf. Die Streiterin im Hijab, von Mitdemonstranten „nubische Königin“ genannt, wurde zum Symbol der Massenproteste. Die Bilder und Videos ihrer Brandreden kursierten in den vergangenen Tagen weltweit durch soziale Medien.

Und dass ein Sitzstreik vor der Militärkaserne anders ausgehen würde als bisherige Demonstrationen, wurde vielen zu Wochenbeginn klar. Da unternahmen Bewaffnete des NISS, Sudans gefürchtetem Geheim- und Sicherheitsdienst, den Versuch, die Belagerung aufzulösen.

Al Baschir kam 1989 bei einem Militärputsch an die Macht

Die Armee aber bot den Demonstranten Zuflucht und vertrieb die Angreifer. Das wiederholte sich in der darauffolgenden Nacht. „Wir sind nicht hier, weil wir es auf die Macht abgesehen haben, sondern, um gemeinsam mit dem Volk das Regime zu stürzen“, erklärte ein Soldat nach dem Einsatz vor der Kaserne.

Al Baschir war 1989 bei einem Militärputsch an die Macht gekommen. Seitdem verstand er es, seine dienstältesten Generäle als treue Militärelite um sich zu scharen. Die Proteste mit bis zu 70 Toten und Hunderten Verletzten rüttelten jetzt an diesem Machtfundament. Sadiq al Mahdi, Oppositionsführer und Ex-Premierminister, forderte am Tag vor dem Putsch die „Machtübergabe an ein ausgewähltes Militärkommando“, welches wiederum eine zivile Regierung „für Frieden und Demokratie“ einsetzen solle. Wie die renommierte Onlinezeitung „Sudan Tribune“ berichtet, lief den Generälen die Zeit davon: Ihren Quellen zufolge hätten „islamistische Offiziere“ gemeinsam mit dem Geheimdienst NISS und dem bewaffneten Flügel der Regierungspartei NCP ebenfalls geplant, al Baschir zu stürzen. Dem Bericht nach seien zahlreiche Politiker, die hinter dem Plan stecken sollen, am Mittwoch festgenommen worden.

Verteidigungsminister Ahmed Awad Ibn Auf wird die Übergangsregierung leiten.
Verteidigungsminister Ahmed Awad Ibn Auf wird die Übergangsregierung leiten.
© REUTERS

Unklar ist, wie es für al Baschir weitergeht. Vor zehn Jahren hatte der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag einen Haftbefehl gegen Sudans Präsidenten wegen Kriegsverbrechen erlassen. Er soll für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Unruheprovinz Darfur verantwortlich sein. Seit Ausbruch des Konflikts im Jahr 2003 starben dort mehr als 300.000 Menschen. Sudans Regierung vermutet in der westlichen Region separatistische Rebellen.

Regelmäßig kommt es in Darfur zu Bombenangriffen und einem Bericht von Amnesty International aus dem Jahr 2016 zufolge soll auch Giftgas zum Einsatz gekommen sein. Am Donnerstag war der Aufenthaltsort des Despoten im Sudan zunächst ungewiss. Wie es hieß, soll er „streng bewacht“ unter Hausarrest stehen.

„Sind Afrikas Dinosaurier am Ende der Straße angelangt?“, fragt das Politmagazin „New African“ in seiner April-Ausgabe. Die Überschrift begleitet ein Foto, auf dem al Baschir und Abd al Aziz Bouteflika in eine freundschaftliche Umarmung fallen.

Der langjährige Präsident Algeriens war erst vergangene Woche nach Massenprotesten zurückgetreten. Und diese Entwicklung ist seit einiger Zeit in mehreren afrikanischen Staaten zu beobachten: 2017 wurde Simbabwes Diktator Robert Mugabe zum Rücktritt gezwungen, in der Demokratischen Republik Kongo musste zu Jahresbeginn der Despot Joseph Kabila nach 17 Jahren weichen. Zum vorzeitigen Regierungswechsel kam es 2018 auch in Südafrika und Äthiopien.

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