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Alaa Salah, eine 22-jährige Studentin der Ingenieurswissenschaften, wurde zur Ikone der Revolution.
© AFP

Chaos oder Aufbruch?: Was nun im Sudan folgt

Omar al Baschir, einer der übelsten Despoten Afrikas, wurde gestürzt. Das erinnert an den Arabischen Frühling. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Vor dreißig Jahren hatte er sich mit Hilfe des Militärs und des Irans an die Macht geputscht. Im Sudan errichtete er ein rigides islamistisches Regime. Osama bin Laden war ein gern gesehener Gast. Gegen die Rebellen des eher christlich geprägten Süden des Landes führte er bis zu dessen Unabhängigkeit im Jahr 2011 einen blutigen Bürgerkrieg. Den Aufstand in der Provinz Darfur schlug er mit aller Härte nieder. Mindestens 300.000 Menschen wurden dort getötet, laut Amnesty International wurde Giftgas eingesetzt.

Wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen erließ der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl gegen Omar al Baschir. Es war der erste gegen einen amtierenden Staatschef. Nun ist das Ende der Macht des 75-Jährigen gekommen. Nach wochenlangen Protesten gegen seine Herrschaft hatte das Militär sukzessive die Seiten gewechselt. Einer der übelsten Despoten Afrikas ist bald nur noch Geschichte. In den Straßen der Hauptstadt Khartoum herrscht Feierstimmung.

Ein Bild ging um die Welt, das zum Symbol der Revolution wurde. Es zeigt Alaa Salah, eine 22-jährige Frau, umhüllt von einer weißen Tracht, die auf einem Auto steht und die Demonstranten anfeuert. Besonders die Frauen im Sudan litten unter der Herrschaft al Baschirs. Jetzt bilden sie ein starkes Element der Opposition. Mit den Erinnerungen kehrt auch die Ratlosigkeit zurück

Mit den Erinnerungen kehrt Ratlosigkeit zurück

Die Bilder wecken Erinnerungen – an den „Arabischen Frühling“, an Tunesien, Ägypten, Libyen, Syrien. Vor einer Woche erst hatten Demonstranten in Algerien den Amtsverzicht von Präsident Abd al Aziz Bouteflika erzwungen.

Aber mit den Erinnerungen kehrt auch die Ratlosigkeit zurück. Erfolgreich waren die Aufständischen bisher nur in einem einzigen Land, Tunesien. Überall anders haben die Rebellionen entweder Chaos und Bürgerkriege produziert (Libyen, Syrien) oder zu einer Neuauflage der autoritären Herrschaft geführt (Ägypten).

Das liegt auch daran, dass die Opposition uneinheitlich ist. Islamisten, lokale Stammesführer, arbeits- und perspektivlose junge Menschen, Frauen, Menschen- und Bürgerrechtler können sich zwar rasch auf das Ziel verständigen, einen Herrscher zu Fall zu bringen. Doch danach brechen die Unterschiede rasch wieder auf.

Wirtschaftskrise und eine hohe Inflation

Auf Diktatur folgt Chaos, das Chaos gebiert neue Diktatoren. Muss das so sein? Auch die Transformation im Sudan wird extrem schwierig werden. Durch die Abspaltung des Südens gingen die meisten Ölfelder verloren. Verschärft wird die anhaltende Wirtschaftskrise durch internationale Sanktionen und eine hohe Inflation. Ob mit al Baschir auch dessen Regime zurücktritt, um einen echten Neuanfang zu ermöglichen, ist unklar. Zum Glück scheinen das Militär und die Sicherheitsapparate intakt und geschlossen zu sein. In einer Übergangszeit bis zu Neuwahlen werden sie eine stabilisierende Rolle spielen müssen.

Das alles muss bedacht werden, darf aber die frohe Gegenwartsbotschaft nicht verhallen lassen. Ein Despot wurde gestürzt, weil ein Volk den Mut fand, sich die Macht über die eigene Zukunft zu erkämpfen. Dieses Volk hat sich deutschen und europäischen Respekt ebenso verdient wie unsere Solidarität.

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