Nach der Wahl von Jair Bolsonaro: Südamerika rückt nach rechts
Die Präsidenten von Brasiliens Nachbarländern bejubeln den Wahlsieg von Jair Bolsonaro, als sei er einer von ihnen. Aber sie könnten sich täuschen. Ein Kommentar.
Mit dem klaren Wahlsieg von Jair Bolsonaro in Brasilien rückt Südamerika weiter nach rechts, nachdem in den vergangenen Jahren bereits in Argentinien (Mauricio Macri), Paraguay (Mario Abdo Benítez), Chile (Sebastina Piñera) und Kolumbien (Iván Duque) Männer mit neoliberalen und antisozialstaatlichen Profilen an die Macht gelangt waren. Einzig Uruguay und Bolivien verbleiben im linken Lager.
Boliviens Evo Morales ist der letzte Präsident, der aus den Nullerjahren übrig geblieben ist, die in Südamerika als die große Dekade der Linken gelten. Damals regierten Männer wie Hugo Chávez, Lula da Silva und Ernesto Kirchner. Sie wollten sozial gerechte Nationen schaffen und die Integration des Kontinents vorantreiben – Aufgaben, die den wütenden Widerstand der mächtigen alten Eliten hervorriefen. Das sozialistische Experiment Venezuelas scheiterte besonders schaurig in einer apokalyptischen Narco-Diktatur.
Viel deutet nun darauf hin, dass sich die neuen konservativen Männer in den Präsidentenpalästen Südamerikas ebenso gut verstehen werden wie einst die Linken. Sie haben Jair Bolsonaro (ohne Ermahnungen wie Emmanuel Macron) zum Wahlsieg gratuliert und ihn zu Besuchen eingeladen. Sie alle eint, dass sie den Staat begrenzen und Schulden abbauen wollen. Vermeintliche Investitionshindernisse wie Arbeitnehmerrechte und Umweltauflagen sowie Barrieren wie teils absurde Bürokratien wollen sie abbauen. Sozialprogrammen stehen sie hingegen ebenso kritisch gegenüber wie höheren Steuern für die Wohlhabenden.
Bolsonaro ist unberechenbar, sein Antrieb ist der Konflikt
Ob das reicht, die verkümmerte wirtschaftliche und politische Integration Südamerikas weiterzuentwickeln, kann man bezweifeln. Auch, weil sie alle enorme Baustellen in ihren eigenen Ländern zu bearbeiten haben, etwa die tiefen Wirtschaftskrisen in Argentinien und Brasilien.
Und dann ist nicht zu unterschätzen, dass mit Bolsonaro auch ein Unberechenbarer von Trumpschen Dimensionen an die Macht gekommen ist. Und sie scheinen sich durchaus gewogen: Trump und Bolsonaro hätten bereits telefoniert, hieß es, und Bolsonaro hat sich den USA als Verbündeter in Südamerika empfohlen. Das ist neu, bisher galten die beiden Länder als Rivalen.
Was sie verbindet, ist, dass sie auf die Sozialen Netzwerke setzen und gern spalten. Bolsonaro hat die Wahl über die sozialen Netzwerke mit gezielten Fehlinformationen beeinflusst. Er hat von der Spaltung der Gesellschaft in links und rechts profitiert, die er selbst beförderte. Er hat das Land aufgeteilt in die Gelbgrünen, die dazugehören, und die Roten, die nicht dabei sind. Ähnlich schmutzige Wahlkämpfe waren zwar schon in Argentinien und Kolumbien zu beobachten. Aber Bolsonaro geht weiter: Er bricht mit dem politischen System und dessen eingespielten demokratischen Ritualen, wie er schon am Wahlabend gezeigt hat. Bolsonaros Antrieb sind Konflikt und Konfrontation, nicht Konsens und Gemeinsamkeit.
Es ist zu befürchten, dass sein Beispiel in den kommenden Jahren in Südamerika Schule macht. Ein einiges Südamerika, das sein riesiges Potenzial nutzen könnte und wichtige Probleme wie den Klimawandel gemeinsam anginge, wäre damit zu den Akten gelegt. Der Kontinent wäre nur noch damit beschäftigt, seine Energie und Zeit in inneren ideologischen Konflikten zu verpulvern.