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Bei der Demonstration am Samstag in Paris waren auch Vertreter der „Gelbwesten“ dabei.
© Benoit Tessier/REUTERS

Proteste gegen Macrons Rentenreform: Streiks - und kein Ende in Sicht

Bei den Demonstrationen gegen die Rentenreform sind am Samstag in Paris auch „Gelbwesten“ dabei. Bei den Protesten setzt die Polizei Tränengas ein.

Die Reisezeit zwischen den Jahren wird für viele Franzosen wegen der anhaltenden Streiks gegen die Rentenreform zur Geduldsprobe. Wer am Samstag im Nachbarland in ein verlängertes Wochenende aufbrechen oder aus den Weihnachtsferien in die Heimat zurückkehren wollte, musste sich weiterhin auf Zugausfälle bei der Staatsbahn SNCF einstellen. Derweil suchte der radikale Gewerkschaftsbund CGT bei einer Demonstration in Paris den Schulterschluss mit den „Gelbwesten“.

Im Zugverkehr verbesserte sich die Situation etwas im Vergleich zum vorangegangenen Wochenende. Am Samstag waren immerhin sechs von zehn TGV-Schnellzügen im Einsatz. In Paris blieb der Verkehr mit der Metro aber weiterhin stark eingeschränkt; sechs Linien waren weiterhin geschlossen. Im TER-Regionalverkehr wurden nur drei von zehn Zügen eingesetzt. Auch in den kommenden Tagen wird es Einschränkungen beim Zugverkehr geben. So hat die SNCF angekündigt, dass am Neujahrstag nur 35 Prozent der TGV-Schnellzüge unterwegs sein werden.

Streik dauert bereits länger als der Ausstand von 1995

Der Samstag ist inzwischen der 24. Tag des Streiks, der inzwischen länger dauert als der Ausstand von 1995. Seinerzeit erzwangen die Demonstranten die Rücknahme einer vom damaligen Staatschef Jacques Chirac geplanten Rentenreform. Möglicherweise wird der gegenwärtige Streik sogar noch das Ausmaß der Arbeitsniederlegungen vom Dezember 1986 und Januar 1987 übertreffen, als die Eisenbahner 28 Tage lang streikten. Die nächste Verhandlungsrunde zwischen Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgebern zur Rentenreform ist erst wieder ab dem 7. Januar vorgesehen, und für den 9. Januar planen die Gewerkschaften erneut Protestkundgebungen.

Bei einer Demonstration am Samstag, die in Paris vom Gare du Nord zum Zentrum der Hauptstadt führte, waren auch rund 300 Anhänger der „Gelbwesten“-Bewegung dabei. Der Gewerkschaftsbund CGT, der wie die Eisenbahnergewerkschaft Sud-Rail und der linksgerichteten Gewerkschaft „Force Ouvrière“ zu den Hauptgegnern der Rentenreform gehört, hatte die „Gelbwesten“ zur Teilnahme eingeladen. Unter den Demonstranten war auch der CGT-Vorsitzende Philippe Martinez, der im Streit um den Rentenreform zum wichtigsten Gegenspieler von Präsident Emmanuel Macron geworden ist. Im Verlauf der Demonstration kam es im Zentrum von Paris zu Ausschreitungen, die Polizei setzte Tränengas ein.

Gewerkschaftsbund CGT will eine komplette Rücknahme der Reform

Bei der Rentenreform geht es nicht nur um eine Vereinheitlichung der 42 unterschiedlichen Rentenregelungen, die unter anderem den Eisenbahnern zahlreiche Privilegien sichern. Geplant ist auch eine Anhebung des faktischen Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre. Auf eine komplette Rücknahme der Reform, wie sie unter anderem die CGT fordert, will sich die Regierung keinesfalls einlassen. Verkehrs-Staatssekretär Jean-Baptiste Djebbari kritisierte am Samstag, dass sich die CGT in einen Kurs der „permanenten Verweigerung“ verrannt habe.

Sowohl die Regierung als auch die CGT betreiben im wochenlangen Gezerre um die Rentenreform eine Art Abnutzungskampf, bei dem beide Seiten auf den Zeitfaktor setzen. Jeder Tag des Ausstands bedeutet für die Streikenden finanzielle Einbußen. Daher ist die Mobilisierung aufseiten der Gewerkschaften inzwischen auch nicht mehr ganz so groß wie zu Beginn des Streiks Anfang Dezember. Die Zeitung „Le Parisien“ berichtete, dass unter den Metro- und Busfahrern in Paris seit Beginn des Streiks die Zahl der Krankmeldungen in die Höhe geschnellt sei. Damit wollten die Betroffenen offenbar Verdienstausfällen vorbeugen, berichtete das Blatt.

Gleichzeitig setzt die Regierung darauf, dass sich die öffentliche Meinung umso mehr gegen die Gewerkschaften richtet, je länger der Streik andauert. Vor Weihnachten hatten nach einer Umfrage des Instituts Ifop noch 51 Prozent der Befragten den Streik befürwortet. Allerdings kam es bei vielen Franzosen schlecht an, dass die Zugfahrer entgegen der Aufforderung Macrons auch über die Feiertage keine Streikpause einlegten.

Macron hält am Dienstag Neujahrsansprache

Macron, der die Verhandlungen mit den Gewerkschaften seinem Premierminister Edouard Philippe überlassen hat, wird sich voraussichtlich auch in seiner traditionellen Neujahrsansprache am kommenden Dienstag zu den Streiks und der Rentenreform äußern. Die Reformgegner erwarten, dass der Präsident Zugeständnisse bei dem Projekt ankündigen wird, das Ende Januar im Kabinett verabschiedet werden soll. Bereits vor Weihnachten hatte es aus der Regierung geheißen, dass die geplanten Veränderungen beim Renteneintrittsalter nicht in Stein gemeißelt seien.

Unterm Strich bleibt Macron die Neuordnung des Rentensystems allerdings ein Kernbestandteil seiner Amtszeit, die noch bis 2022 andauert. Eine kompletter Rückzieher, der einem Offenbarungseid gleichkäme, steht für ihn nicht zur Diskussion.

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