Karlspreis für Macron: Sticheleien im Krönungssaal
Bei der Zeremonie zur Verleihung des Karlspreises in Aachen beklagt Frankreichs Präsident Macron, dass der Haushalts- und Handelsüberschuss in Deutschland einen "Fetisch" darstelle.
Die Zuhörer im Krönungssaal des Aachener Rathauses lauschen andächtig, als Angela Merkel in ihrer Laudatio für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron persönlich wird. „Lieber Emmanuel“, sagt die Kanzlerin, „Deine Begeisterung, Dein Einsatz, Deine Courage reißen andere mit.“ Merkel lobt den Ideenreichtum, mit dem Frankreichs Präsident die europapolitische Debatte belebt hat. Dann fügt sie eine Art Versprechen hinzu: „Ich freue mich, auf diesem Weg gemeinsam mit Dir arbeiten zu können.“
Macron: Ohne Transferleistungen geht es nicht
Zwischen Merkel und Macron, diesen Eindruck kann man am Donnerstag bei der Verleihung des Karlspreises an den französischen Präsidenten bekommen, könnte alles so schön sein, wenn da nicht die Forderungen des französischen Präsidenten zur Einrichtung eines eigenen Budgets für die Euro-Zone wäre. Bekanntlich hält Merkel nicht viel von dem Vorschlag – was Macron bei seinem Besuch in Deutschland nicht davon abhält, die Forderung erneut aufs Tapet zu bringen.
Schon bevor er in Aachen den Preis für seine Verdienste entgegennimmt, versucht er Bewegung in die Debatte um die Zukunft der Währungsunion zu bringen. „Deutschland hat ein Tabu: Das sind die Transferleistungen“, sagt er in einem Interview mit den ARD-„Tagesthemen“. „Doch ohne geht es nicht“, lautet seine kategorische Feststellung. In seiner Dankesrede in Aachen wird er dann noch konkreter. Er plädierte für einen „ehrgeizigeren Haushalt“ – sprich für mehr Investitionsmittel für die Länder der Euro-Zone.
Das sieht aber nicht zuletzt die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag etwas anders. Möglicherweise denkt Merkel an diesen nicht ganz unwichtigen Sachverhalt, als sie in der Laudatio auf Macron anmerkt, dass es in Deutschland und Frankreich „unterschiedliche Kulturen“ in der politischen Diskussion gebe. Trotzdem komme man stets zu einer Lösung, worin ja gerade der „Zauber Europas“ bestehe, konstatiert die Kanzlerin mit einem Anflug von Poesie.
Einigkeit bei der Nahost-Politik
Tatsächlich sind Merkel und Macron in ihrer Bestandsaufnahme zum Zustand der EU in etlichen Punkten einig, auch wenn sie dies bei ihren Reden in Aachen rhetorisch unterschiedlich verpacken. Wo Merkel mehr außenpolitische Eigenständigkeit der EU fordert und darauf hinweist, dass der Schutzschirm der USA keine Selbstverständlichkeit mehr darstelle, spricht Macron von „europäischer Souveränität“.
Unisono fordern die beiden ebenfalls, dass sich die EU stärker als bisher in der Nahost-Region engagieren muss. Angesichts der Angriffe der israelischen Armee auf iranische Stellungen in Syrien warnt Merkel vor einer Eskalation und erklärt, „dass es wahrlich um Krieg und Frieden geht“. Und Macron fordert nach der Aufkündigung des Iran-Abkommens durch US-Präsident Donald Trump, dass jetzt die Europäer in der Region ein „Garant für Stabilität“ sein müssten.
Aber in einem Punkt unterscheiden sich Merkel und Macron in ihren Reden voneinander: Frankreichs Staatschef legt eine größere Ungeduld als die Kanzlerin an den Tag, wenn es darum geht, die EU zu erneuern und insbesondere die Euro-Zone zu stärken. Während es Merkel bei der nüchternen Analyse belässt, der zufolge jeder spüren könne, dass sich die EU „in einer ganz entscheidenden Phase“ befinde, mahnt Macron schnelle Entscheidungen an. „Warten wir nicht zu“, fordert er.
Macron, das wird in Aachen deutlich, will in seiner Amtszeit Weichenstellungen für die EU in den nächsten 30 Jahren erreichen. Eine Änderung der EU-Verträge schließt der 40-Jährige dabei genauso wenig aus wie die Bildung eines harten Kerns von Staaten innerhalb der EU. Man könne nicht warten, „bis alle einverstanden sind über das letzte Komma“, sagt er zur Begründung.
Präsident will Frankreich-Bild korrigieren
Wem das ein bisschen zu unkonkret erscheint, für den kommt Macron zum Ende seiner Rede noch einmal auf seine Erwartungen an Deutschland in der Debatte um die Reform der Euro-Zone zurück, die bis Ende Juni zu einer deutsch-französischen Verständigung führen soll. Er moniert, dass es in Deutschland einen „Fetisch“ gebe, „der Haushalts- und Handelsüberschuss heißt“.
Natürlich weiß auch Macron, dass solche Äußerungen hierzulande den Verdacht aufkeimen lassen können, der Partner in Paris sei letztlich nur aufs Portemonnaie der Nachbarn aus. Dem hält der Präsident seine innenpolitischen Reformen entgegen: „Träumen Sie nicht. Frankreich hat sich geändert.“