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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
© Wolfgang Kumm/dpa

Rede zum Tod Schleyers: Steinmeier: RAF-Täter sollten ihr jahrelanges Schweigen brechen

Auch 40 Jahre nach dem Mord an Hanns Martin Schleyer schweigen die mutmaßlichen Täter weiterhin. In einer Rede fordert sie Bundespräsident Steinmeier auf, endlich zu reden.

40 Jahre nach dem RAF-Mord an Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die damaligen Linksterroristen aufgerufen, ihr Schweigen über die Taten der RAF zu brechen. "Wenn Sie das Rückgrat besitzen, das Sie bei anderen so oft bezweifelt haben, dann reden Sie, dann legen Sie die Taten in allen Einzelheiten offen", sagte Steinmeier am Mittwoch bei einer Veranstaltung zum Tod Schleyers in Berlin.

"Den Tätern, die nun seit vielen Jahren schweigen, möchte ich in aller Deutlichkeit sagen: Sie machen sich damit ein zweites Mal schuldig - schuldig an den Angehörigen der Opfer, nicht juristisch, aber moralisch", betonte Steinmeier laut Redetext. Schleyer war am 18. Oktober 1977 von Linksterroristen der Rote Armee Fraktion (RAF) erschossen worden. Täter, Tatort und Tatzeit sind bis heute unbekannt.

Auch zu anderen RAF-Morden schweigen mutmaßliche Täter bis heute. Im Frühjahr und Sommer 1977 hatte die RAF Generalbundesanwalt Siegfried Buback und den Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto ermordet. Insgesamt gehen 34 Morde auf das Konto der RAF, die sich 1998 selbst auflöste.

Der Bundespräsident hob hervor, wer das Terrorjahr 1977 erlebt habe, "der fühlte sich in den vergangenen Jahren oft an damals erinnert, auch wenn sich die Umstände inzwischen sehr verändert haben". "Die Terrorzelle des NSU mordete lautlos, sie kam von ganz rechts, nicht von ganz links, soweit diese Zuschreibungen heute überhaupt noch greifen."

"Befassen wir uns genug mit den Motiven des Fanatismus?"

"Und die Dschihadisten ermorden keine Symbolfiguren, sondern zielen auf Menschen in ihrem Alltag, weil sie das westliche Lebensmodell als solches in Frage stellen wollen", fügte das Staatsoberhaupt hinzu. "Wenn es eine Gemeinsamkeit zwischen den unterschiedlichen Formen des Terrors gibt, dann vielleicht diese: Destabilisierung durch Angst."

"Befassen wir uns genug mit den Motiven des Fanatismus? Tun wir genug, um einer Radikalisierung entgegenzuwirken, die mitten unter uns stattfindet? Nein, bei weitem nicht", sagte Steinmeier. "Aber diese Themen dringen allmählich ins öffentliche Bewusstsein, verändern die Aufmerksamkeit auf Schulhöfen, in Kantinen, in sozialen Medien, überall dort, wo Mitmenschen sich plötzlich auffällig verhalten oder sich völlig zu entfremden drohen." Steinmeier hat zu einer stärkeren Aufmerksamkeit für Fanatismus und Radikalisierungstendenzen aufgefordert. „Auch heute werden Worte wieder zu Taten - aus ideologischen oder religiösen Gründen, oft unter Berufung auf heilige Schriften, die in Deutschland die meisten weder kennen noch verstehen“, sagte Steinmeier laut Redemanuskript

Steinmeier plädierte für eine öffentliche Debatte über die richtige Politik der inneren Sicherheit. Diese Debatte müsse "unverdrossen" und "bürgernah" geführt werden, "aber auch differenziert genug, um diesem komplexen Thema gerecht zu werden".

Die Ermordung des von der RAF entführten Schleyers vor vier Jahrzehnten stand am Ende einer Serie dramatischer Ereignisse, die als Deutscher Herbst in die Geschichte eingingen. Noch während der Schleyer-Entführung kaperte damals ein mit der RAF verbündetes palästinensisches Terrorkommando die Lufthansa-Maschine "Landshut". Ziel war die Freipressung in Deutschland inhaftierter RAF-Terroristen.

Nach einem mehrtägigen Irrflug des Urlauberflugzeugs stürmte die GSG 9 die Maschine am frühen Morgen des 18. Oktober 1977 auf dem Flughafen im somalischen Mogadischu und befreite die Geiseln. Wenige Stunden später begingen drei in Stuttgart-Stammheim inhaftierte Terroristen der sogenannten ersten RAF-Generation Suizid, darunter Andreas Baader und Gudrun Ensslin. Daraufhin ermordeten Mitglieder der zweiten RAF-Generation den entführten Schleyer. (AFP)

Der Wortlaut der Rede ist hier zu finden.

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