20 Tote bei Demonstrationen in Burundi: Steinmeier macht Druck auf Burundis Präsidenten
Burundis Präsident Pierre Nkurunziza will sich eine dritte Amtszeit genehmigen. Er hält sich von Gott selbst eingesetzt. In Burundi wird gegen ihn demonstriert, und die internationale Gemeinschaft verlangt die Einhaltung des Friedensvertrags vom Jahr 2000.
Proteste in Burundi wie internationaler Einspruch gegen seinen Plan haben den Präsidenten des kleinen zentralafrikanischen Landes Pierre Nkurunziza nicht umstimmen können. Am Wochenende reichte er seine Bewerbung für eine verfassungswidrige dritte Amtszeit bei der Wahlkommission ein.
Seit die Regierungspartei ihn am 25. April erneut nominiert hat, haben fast täglich Tausende Menschen gegen den Präsidenten demonstriert. Mindestens 20 Menschen sind bei den gewaltsamen Protesten getötet worden. Am Sonntag wurde ein junger Mann, der einer regierungsnahen Miliz, den Imbonerakure, angehören soll, bei lebendigem Leib verbrannt. Gegen Angehörige dieser Miliz, die beschuldigt wird, insbesondere Tutsis unter Druck gesetzt und bedroht zu haben, gab es mehrere Lynchangriffe. Hunderte Demonstranten wurden verletzt, ein Regierungssprecher gab bekannt, dass mindestens 600 Regierungsgegner verhaftet worden seien. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind mehr als 50 000 Menschen aus dem Land geflüchtet.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat schon drei Tage nach der Nominierung Nkurunzizas in einem Brief an seine Amtskollegen in Burundi, Ruanda, Uganda, der Demokratischen Republik Kongo, Kenia, Südafrika, Angola und an die Afrikanische Union seiner Besorgnis Ausdruck verliehen. Im Jahr 2000 hatte der Friedensvertrag von Aruscha einen zwölfjährigen Bürgerkrieg beendet, bei dem mindestens 300 000 Menschen getötet worden sind. Der UN-Sicherheitsrat, die Generalsekretärin der Afrikanischen Union, Nkosazana Dlamini-Zuma, fordern einhellig, den Friedensvertrag zu respektieren. „Diese Vereinbarungen dürfen nicht in Frage gestellt werden“, schreibt Steinmeier in seinem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt. Der Aruscha-Vertrag sieht vor, dass ein Präsident nach zwei Amtszeiten nicht wieder antreten darf.
Steinmeier schreibt weiter, dass die „zunehmenden Spannungen vor den anstehenden Wahlen, die mit Verhaftungen und teils gewaltsamen Einschüchterungen von Oppositionellen, Zivilgesellschaft und einfacher Bevölkerung einhergehen“ Regierung, Parlament und Öffentlichkeit in Deutschland „beunruhigen“. Steinmeier fährt fort: „Diese Stabilität steht nun auf dem Spiel – und mit ihr die Sicherheitslage in der gesamten Region der Großen Seen.“ Damit meint er vor allem das Nachbarland Ruanda – vor 21 Jahren wurden dort rund eine Million Tutsis ermordet – und den Ostkongo. Steinmeier ist im Februar erst in die Region gereist.
Mit ihm unterwegs war auch die Abgeordnete Kordula Schulz-Asche (Grüne), die den Beginn des Genozids in Ruanda miterlebt hatte und auch in Burundi schon gearbeitet hat. Nach ihrer Rückkehr sagte sie dem Tagesspiegel: „Um Burundi mache ich mir im Moment mehr Sorgen als um Ruanda.“
In seinem Brief droht Steinmeier der Regierung in Burundi indirekt mit einer Kürzung der Entwicklungsmittel. Mit Blick auf die Regierungsverhandlungen im Mai 2014 schreibt er, die „Einhaltung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ebenso wie die Beachtung der Menschenrechte“ seien „entscheidende Kriterien für die Zusammenarbeit“ und blieben „weiterhin Maßstab für eventuelle zukünftige Verhandlungen“.
Der Präsident bekommt einen Gegenkandidaten
Am Sonntag kündigte Agathon Rwasa an, bei der Wahl im Juni gegen den Präsidenten anzutreten. Rwasa ist wie Nkurunziza ein ehemaliger Hutu-Rebellenführer, der wie sein politischer Rivale den Friedensvertrag von Aruscha mit ausgehandelt hat. Nkurunziza war 2005 vom Parlament zum Präsidenten bestimmt worden, weshalb er nun argumentiert, vom Volk sei er nur einmal gewählt worden. Allerdings war die Wahl 2010 sehr umstritten. Die Opposition hatte sie boykottiert.
Deshalb war die in Aruscha vereinbarte Machtbalance schon seit der Wahl 2010 nicht mehr intakt. Seither ist Burundi faktisch ein Einparteienstaat. Die Regierung Nkurunziza schränkte sämtliche Freiheiten systematisch ein. Schon 2012 schrieb die International Crisis Group in einer Analyse, dass die Kontrolle der Regierungspartei über sämtliche Institutionen die Machtteilungsvereinbarung von Aruscha mehr oder weniger obsolet gemacht habe. Die Regierungspartei instrumentalisiere den Sicherheitsapparat zu ihren Gunsten und bereite Verfassungsänderungen hinter geschlossenen Türen vor, heißt es in dem Report "Burundi: Bye-bye Arusha?"
Die Nachbarn haben sich zum Fall Nkurunziza, einem wiedergeborenen Christen, der sich von Gott eingesetzt wähnt, nicht geäußert. Ugandas Präsident Yoweri Museveni hat seine Verfassung längst zu seinen Gunsten verbogen und regiert bereits in seiner dritten Amtszeit. Er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch noch für eine vierte Amtszeit kandidieren. Kongos Präsident Josef Kabila hat in diesem Jahr gerade Proteste niedergeschlagen, die sich gegen seine dritte Amtszeit richteten.
Lediglich Ruandas Präsident Paul Kagame ließ über den Kurznachrichtendienst Twitter wissen, es sei nicht klug anzutreten, wenn das Volk das nicht wolle. Er selbst ist ebenfalls auf dem Weg zur verfassungswidrigen dritten Amtszeit. Nur protestiert in Ruanda keiner dagegen. Denn er hat sein Land so gut im Griff, dass Widerstand nicht zu erwarten ist. Die Ruander sehen ihren Präsidenten als Garanten für die Stabilität, und als Garanten dafür, dass sich der Völkermord nicht wiederholt.
Angst vor der ethnischen Karte
Mehr als 25 000 Menschen sind seit Ende April nach Ruanda geflüchtet, knapp 18 000 in Tansania und weitere rund 8000 im Ostkongo. Der südafrikanische Thinktank Institute for Security Studies (ISS) schreibt in einer ersten Analyse der Krise, dass die meisten Flüchtlinge nicht vorhätten, zurückzukehren. Viele verkauften all ihren Besitz, bevor sie Burundi verließen. Angesichts der Auseinandersetzungen im Bürgerkrieg, die entlang der ethnischen Linien von Hutus und Tutsis ausgefochten worden sind, sind politische Beobachter im In- und Ausland beunruhigt, dass auch in diesem vorläufig noch politischen Konflikt die ethnische Karte gezogen werden könnte. Was dann passiert, will sich niemand ausmalen.
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