Stasiunterlagenbehörde: Stasi-Akten sollen unter Dach des Bundesarchivs
Das Konzept zur Umstrukturierung der Behörde sieht ein Archivzentrum zur SED-Diktatur vor. Unklar ist, was aus dem Amt des Bundesbeauftragten wird.
Viele der Schriftstücke, die auf 111 Regalkilometern in der Stasiunterlagenbehörde (BStU) lagern, sind in schlechtem Zustand. In etwa 15.500 Säcken warten Millionen Schnipsel aus zerrissenen Akten auf ihre Auswertung. Damit der Erhalt der Dokumente und ihre Rekonstruktion weiter gewährleistet ist, wird die Behörde zukünftig als eigenständiger Bereich in das Bundesarchiv überführt. Das gab Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesarchivs, Michael Hollmann, am Mittwoch auf der Bundespressekonferenz bekannt.
"Dass mutige Bürger die Unterlagen gesichert und ihren Zugang erkämpft haben, ist eine der zentralen Errungenschaften der friedlichen Revolution", sagte Jahn. Seit 1990 wurden etwa 7,2 Millionen Anträge auf Akteneinsicht an den 13 Standorten der Behörde gestellt. Allein im vergangenen Jahr waren es insgesamt mehr als 45.000. Das sind weniger als in den Vorjahren, doch das Interesse bleibt bestehen; nicht nur bei Opfern, sondern auch bei Forschern. Schließlich sei die Einsicht in die Stasiakten "eine wichtige Säule der Aufklärung über die Herrschaftsmechanismen der SED-Diktatur“, sagt Jahn. Einschränkungen hierfür werde es keine geben: "Das Recht auf den Zugang bleibt auf Basis des Stasiunterlagengesetzes bestehen", sagt Jahn.
Werkstätten für Restauration und Digitalisierung
Im Konzept, das Jahn und Hollmann im Auftrag des Bundestages in den vergangenen zweieinhalb Jahren erarbeitet haben, ist vorgesehen, in der ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg ein Archivzentrum zur SED-Diktatur zu errichten. Auch Akten anderer Ministerien und DDR-Behörden sollen dort zugänglich sein. Weiterhin sind Werkstätten geplant, in denen Dokumente restauriert und digitalisiert werden - unter anderem für die Stasi-Mediathek, dem „Digitalen Schaufenster“ zu den Akten. „Mit dem Bundesarchiv haben wir einen starken Partner, um uns den Herausforderungen der digitalen Welt zu stellen und das Archiv fit zu machen“, sagt Jahn.
Zukünftig wird es statt der bisher zwölf Außenstellen in jedem der fünf neuen Bundesländern jeweils eine Behörde geben. An den gestrichenen Standorten sollen aber weiterhin Dienstleistungen wie das Stellen eines Antrags möglich sein.
Kritik vom Bürgerkomitee 15. Januar
Dieter Dombrowski, Bundesvorsitzender der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft, befürwortet das Konzept, betont aber: „Die Berufung eines Opferbeauftragten durch den Deutschen Bundestag bleibt unverzichtbar.“ Das Bürgerkomitee 15. Januar kritisierte hingegen, dass die behördeneigene Stasi-Forschung zerstört werde. Da in Deutschland eine universitäre Geheimdienstforschung fehle, sei diese Vernichtung von Expertise unsinnig.
Wie viel die Umstrukturierung kostet, ist noch nicht bekannt. Die fast 1.500 Mitarbeiter, die die BStU beschäftigt, werden ihre Stellen auch unter dem Dach des Bundesarchivs behalten. Schließlich könne auf ihre Kompetenz nicht verzichtet werden, wie Hollmann sagt. Ab wann der Umzug erfolgt, steht ebenfalls noch nicht fest. Das weitere Vorgehen bestimmt demnach der Bundestag nach Auswertung des Berichts, den Jahn an den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Wolfgang Schäuble (CDU) übergeben hat.
Jahn plant Weltreise
Offen bleibt auch, was aus dem Amt wird, das Jahn seit 2011 bekleidet. "Den Bundesbeauftragten wird es so nicht mehr geben", stellte der 65-Jährige klar. Seine Tätigkeit endet somit im Juni 2021. Pläne für die Zeit danach hat Jahn schon: "Ich mache eine Weltreise und lasse es mir gut gehen."
Helge Hommers