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Der libysche Premierminister al Sarradsch.
© AFP

EU-Zusammenarbeit mit Libyen: Starker Mann - aber nur in Tripolis

Die EU setzt bei der Schließung der zentralen Mittelmeerroute auf den libyschen Regierungschef Fajes al Sarradsch - doch sein Einfluss in dem nordafrikanischen Staat ist begrenzt.

Kann die EU einen Flüchtlingsdeal mit einem Land wie Libyen machen? Diese Frage stellte sich beim EU-Gipfel am Freitag in Malta, und die Antwort war schon vorab klar: Eine Vereinbarung, wie sie die EU mit der Türkei geschlossen hat, ist im Fall Libyens nicht möglich. Denn die EU kann Libyen nicht einfach so wie die Türkei als „sicheres Drittland“ einstufen. Damit kommt auch eine „Eins-zu-eins-Kopie“ des Türkei-Abkommens für Libyen nicht in Frage, wie die EU-Kommission betont. Flüchtlinge, die an der libyschen Küste von Schleppern in kaum seetüchtige Schlauchboote gesetzt werden, können also nicht einfach nach Libyen zurückgeschickt werden.

Das ändert aber nichts daran, dass Libyen im vergangenen Jahr das wichtigste Durchgangsland für Flüchtlinge aus Ländern südlich der Sahara war. Von den 180.000 Flüchtlingen, die 2016 über die zentrale Mittelmeerroute nach Europa kamen, begannen 90 Prozent ihre gefährliche Überfahrt in Libyen. Ein Fünftel der Flüchtlinge kam aus Nigeria – einem Land mit rasant wachsender Bevölkerung. Prognosen zufolge wird der westafrikanische Staat im Jahr 2050 nach China und Indien die drittgrößte Bevölkerung der Erde aufweisen.

Die Regierung in Tripolis wird im ostlibyschen Tobruk nicht anerkannt

Für die EU stellt sich bei der angestrebten Schließung der zentralen Mittelmeerroute das Problem, dass sie auf die Zusammenarbeit mit einem Mann angewiesen ist, der nur begrenzten Einfluss in Libyen hat: Regierungschef Fajes al Sarradsch. Die unter UN-Vermittlung im März 2016 gebildete Einheitsregierung al Sarradschs wird bis heute nicht von einer Gegenregierung im ostlibyschen Tobruk anerkannt. Im vergangenen September eroberte der starke Mann im Osten des Landes, der umstrittene General Chalifa Haftar, die für den Ölexport wichtigen Hafenstädte Ras Lanuf und Sider.

Der IS befindet sich auf dem Rückzug

Auf dem Rückzug befindet sich dagegen in Libyen die Terrormiliz „Islamischer Staat“. Im vergangenen Sommer eroberten Truppen von al Sarradschs Einheitsregierung große Teile von Sirte. Die libysche Hafenstadt war bis dahin die wichtigste Hochburg des IS außerhalb von Syrien und dem Irak gewesen. Im vergangenen Monat griff die US-Luftwaffe dann zwei Lager des IS südlich von Sirte an. Nach Angaben des Senders CNN hatten sich möglicherweise Drahtzieher des Attentats vom Berliner Breitscheidplatz in den Lagern aufgehalten.

Neben der Einheitsregierung und der Gegenregierung in Tobruk machen dutzende bewaffneter Gruppen Gebietsansprüche geltend. Gemeinsam mit hoch organisierten Schlepperbanden, welche die Migranten durch die Sahara schleusen, betreiben die Milizen den Menschenschmuggel im nordafrikanischen Staat. Viele der Migranten, bei denen es sich häufig um unbegleitete Minderjährige handelt, werden während ihrer Flucht von den Schlepperorganisationen brutal ausgebeutet. Zudem ist es an der Tagesordnung, dass die Migranten von den Schleppern gefangen gehalten werden.

Nicht viel besser ist die Lage in den von der Einheitsregierung betriebenen Haftzentren für die Flüchtlinge. Im Mai des vergangenen Jahres besuchte der UN-Sonderbeauftragte für Libyen, Martin Kobler, das Abu-Salim-Gefängnis in einem Vorort von Tripolis. Kobler zeigte sich damals entsetzt von den Haftbedingungen. „Es gibt keine Toiletten, es gibt kein Wasser, Krankheiten breiten sich aus“, sagte er seinerzeit.

In einer Erklärung zum Malta-Gipfel forderten das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die Internationale Organisation für Migration (IOM), dass die inhumanen Haftbedingungen in Libyen ein Ende haben müssten. In „offenen Aufnahmezentren“ solle stattdessen eine menschenwürdige Unterbringung gewährleistet sein. Allerdings machen sich beide Organisationen auch keine Illusionen: Das größte Hindernis für eine effektive Flüchtlingshilfe, so heißt es in ihrer Erklärung, bestehe in der prekären Sicherheitslage im Land.

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