Parteitag der AfD in Stuttgart: Sprüche und Widersprüche
Die AfD will auf ihrem Parteitag auf Anti-Islam-Kurs gehen. Damit erschwert sie die Integration von rund vier Millionen hier lebenden Muslimen. Ein Kommentar.
Das wird wohl ein tolles Theater an diesem Wochenende - bunt, divers, basisdemokratisch, irgendwie urdeutsch-multikulti. Wenn relativ neue Parteien sich etablieren, mit Programm und Parteitag und all diesem Schnickschnack, gleichen sich die Eindrücke des leicht Chaotischen doch sehr, egal ob Grüne, Piraten oder eben, wie jetzt in Stuttgart, die „Alternative für Deutschland“ (AfD). Das ist normal. Flügelkämpfe, Änderungsanträge, Grundsatzreden gehören dazu. Das Zusammenwachsen dessen, was zusammen gehören soll, funktioniert nur so.
Auch die Reflexe der anderen Parteien ähneln sich. Die Neuen ignorieren? Sie einbinden? Auf ihr baldiges Verschwinden hoffen? Den Dialog verweigern? Solche Debatten führen jene, die befürchten, durch die Konkurrenz kleiner zu werden, an Stimmen zu verlieren. Wie hältst Du’s mit der AfD? Das ist die Frage. Darauf gibt es nur eine Antwort: mit gesundem Menschenverstand.
In Stuttgart will die AfD ihren Anti-Islamkurs festschreiben. Wie weit sie damit geht, ist noch offen. Einige ihrer Vertreter unterscheiden zwischen dem politischen Islam (böse) und dem religiösen Islam (nicht ganz so böse). Gleichzeitig behaupten sie, dass der Islam selbst diese Unterscheidung gar nicht kennt. Deshalb sei er mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, ein „Fremdkörper“ in Deutschland. Wirklich kohärent ist die Kritik jedenfalls nicht. In welchem Ausmaß die Religionsfreiheit eingeschränkt wird – Muezzinruf, Minarett- und Moscheebauten, Verschleierung, Beschneidung, Schächten – ist ebenfalls unklar. Die Auseinandersetzungen dürften spannend werden.
Selbst der Zuzug weiterer Muslime wird nicht ausgeschlossen
Doch die AfD kritisiert nicht nur den Islam, sondern auch die angeblich mangelnde Integration der hier lebenden Muslime. Ausweisen will sie die Muslime natürlich nicht, abgesehen von einigen kriminellen, nicht bleibeberechtigten und salafistisch-radikalen. Selbst der Zuzug weiterer Muslime wird nicht ausgeschlossen. Auf die Frage in einer Talkshow, wie viele Flüchtlinge er für verkraftbar halte, sagte einer ihrer Sprecher, Baden-Württembergs AfD-Chef Jörg Meuthen, 150.000 bis 200.000 im Jahr.
Wie viele auch immer: Weil sich die rund vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime nicht wegzaubern lassen, steht die AfD vor einem Dilemma, das den immanenten Widerspruch in der programmatischen Positionierung der Partei verdeutlicht. Denn die zentrale Frage heißt ja: Wie wahrscheinlich ist es, dass sich Muslime leichter in eine Gesellschaft integrieren, wenn ihnen ihre Religion (gehört nicht zu Deutschland!) und das Recht auf deren Ausübung (kein Muezzinruf!) madig gemacht wird? Das erschwert doch eher die Integration, zumal ja auch die AfD oft betont, welch hohen Stellenwert die Religion für die hier lebenden Muslime hat.
Religionsfreiheit und Integrationsbereitschaft bedingen einander. Jemand fühlt sich dort wohl, wo er mit seiner ganzen Identität als Mensch akzeptiert wird. Das zu verstehen, bedarf es wirklich nur einer einzigen Gabe – des gesunden Menschenverstandes.